Angst vor Panzerfaust des Nahen Ostens

Deutsche Steinkohle AG startet millionenschwere Kampagne: Nur heimische Kohle sei sichere Energie

BOCUM taz ■ Passend zu Halloween will nun auch die Kohlelobby die Leute erschrecken: Mit einer millionenschweren Werbekampagne malt die Deutsche Steinkohle AG (DSK) die Energiekrise an die Wand: Schließlich sei unsere Energieversorgung aus dem Nahen Osten alles andere als sicher. „Wir wollen Betroffenheit erzeugen“, erklärt DSK-Chef Bernd Tönjes. Nur die Steinkohle könne in schwierigen Zeiten Deutschlands Energieversorgung sichern, behauptet der Vorstandsvorsitzende. „Und das für weitere 400 Jahre“, sagt Tönjes. Denn so lang reichten die Vorräte unter Tage.

Ein Motiv der Anzeigenserie in Illustrierten und Zeitungen zeigt eine Szene aus der „Unruhezone Nahost“ (DSK): Zwei junge Araber sitzen auf einem Motorrad, einer bedient eine Panzerfaust. Der Kohlekonzern untertitelt das Agenturfoto: „Wird hier gerade über unsere Energieversorgung entschieden?“

Bei der Präsentation der Kampagne am Herner Konzernsitz verteidigte Steinkohle-Boss Tönjes das Spiel mit den Krisenängsten vieler Menschen. Angesichts der eskalierenden Situation im Nahen Osten müsse die DSK auf die noch wachsende Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgasimporten hinweisen. „Momentan haben die Deutschen laut Umfragen mehr Angst vor einem Meteoriteneinschlag als vor einem Stromausfall“, sagt Tönjes erzürnt.

Jahrelang hatte die Kohle-AG aus dem Ruhrgebiet keine Anzeigen geschaltet, schließlich ist sie Monopolist. Doch jetzt entscheidet sich in Berlin die Zukunft der Betreibergesellschaft aller deutschen Steinkohlezechen. Ausgerechnet Peer Steinbrück, SPDler und Ministerpräsident des wichtigsten Steinkohlelandes Nordrhein-Westfalen, hat die Subventionsdebatte losgetreten.

Dabei braucht die DSK dringend Geld aus der Staatskasse, damit zumindest die Hälfte der verbliebenen zehn Bergwerke mit ihren 45.000 Beschäftigten weiter fördern kann. 2005 läuft der „Kohlekompromiss“ von 1997 aus, der den Zechen an Rhein, Ruhr und Saar in diesem Jahr rund 3,3 Milliarden Euro Beihilfen sichert. Danach hofft die DSK auf wenigstens 2 Milliarden Euro Zuschüsse im Jahr. DSK-Betriebsrat Dierk Brunebarbe steht deshalb hinter der Werbung. „Wir tragen alles mit, was das Unternehmen zukunftsfähig macht“, sagt Brunebarbe.

Die Angstkampagne geht allerdings an der Wirklichkeit vorbei. Die jährliche Fördermenge der Zechen deckt gerade mal drei Prozent des Energiebedarfs in Deutschland ab – und da sind die bereits beschlossenen Zechenschließungen gar nicht berücksichtigt. Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der NRW-Grünen, schlägt die DSK deshalb für den Deutschen Comedy-Preis vor: „Wer angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der Zechen geschlossen wird, von 400 Jahren Steinkohle spricht, hat Humor.“ MARTIN TEIGELER