Generation Sparschwein

Das Bild vom „Teneriffa-Rentner“ stimmt nicht, aber arm sind deutsche Senioren auch nicht gerade

von ULRIKE HERRMANN

Wie viel darf man den Rentnern zumuten? Diese Frage ist umstritten in Deutschland. Die Gewerkschaften protestieren vehement gegen die neuesten „unsozialen“ Beschlüsse der Regierungsklausur am Sonntag. Statt die Nettorenten zu senken, hätte der DGB lieber die Beiträge angehoben. Die Grünen argumentieren genau andersherum. Ihr Lieblingshinweis lautet, dass nicht mehr die Alten arm seien – sondern vor allem Familien mit mehreren Kindern. Gängig ist auch das Bild vom „Teneriffa-Rentner“, der seine üppigen Altersbezüge ständig in Luxusreisen investiert. Was stimmt? Wie leben Rentner in Deutschland?

Das ist nicht einfach zu beantworten. Denn um das Einkommen der Älteren zu ermitteln, reicht es nicht, sich die Auszahlungen der Rentenkassen anzusehen. Schließlich arbeiten einige Ältere nebenher, viele haben Vermögen und beziehen Zinsen, Dividenden oder auch Mieteinnahmen. Politisch interessant ist daher das reale Haushaltseinkommen der Rentner.

Diese Erhebung ist so aufwändig, dass sie nur in großen Abständen vorgenommen wird. Die Rentenkassen haben ihre letzte Studie 1999 veröffentlicht; die nächste wird im Spätherbst 2004 erscheinen.

Nach den jüngsten alten Zahlen verfügte das durchschnittliche Rentnerehepaar in Westdeutschland 1999 über monatlich 3.905 Mark netto; das durchschnittliche Rentnerehepaar im Osten erhielt 3.488 Mark. Aber wie immer bei Durchschnittswerten ist die Streuung breit – vor allem im Westen. So mussten sich dort etwa 60.000 Rentnerpaare mit weniger als 1.400 Mark monatlich begnügen, mehr als 200.000 Paare bekamen zwischen 1.400 und 2.000 Mark – während sich ebenfalls zirka 60.000 Rentnerpaare über monatlich mehr als 10.000 Mark freuen konnten.

Im Osten ging es den meisten Rentnerpaaren besser als im Westen – obwohl der Durchschnittswert niedriger liegt. Die Erklärung: Dort fehlen die Spitzeneinkommen, die den Durchschnitt statistisch nach oben ziehen; gleichzeitig macht sich bemerkbar, dass auch die Ehefrauen gearbeitet haben. Jedenfalls gab es im Osten 1999 überhaupt keine Ehepaare, die weniger als 1.400 Mark hatten. Angesichts dieser Zahlen scheint es verkraftbar, dass die Rentner nun ihre Pflegeversicherung komplett zahlen müssen. Für den Durchschnittsrentner sind dies etwa 10 Euro zusätzlich im Monat.

Den Rentnern geht es gut in Deutschland. Vielleicht zu gut? Das Bild vom „Teneriffa-Rentner“ legt nahe, dass die Älteren erstens gar nichts Nützliches mehr tun und zweitens ihre ganze Rente ins eigene Vergnügen stecken. Beides ist falsch.

So sind viele Rentner ehrenamtlich tätig, wie Altersforscher ermittelt haben. Zudem betreuen sie häufig ihre Enkel und pflegen Familienangehörige. Insgesamt erbringen die Rentner jährliche Leistungen von etwa 40 Milliarden Euro, schätzt der Berliner Soziologe Martin Kohli – das entspricht einem knappen Fünftel der jährlichen Ausgaben der Rentenkassen.

Keine Bevölkerungsgruppe geht zudem so sparsam mit dem eigenen Einkommen um wie die Rentner. Das ergaben die Zahlen des „Sozio-ökonomischen Panels“, das das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erhebt. Selbst in der Gruppe der allerärmsten Rentner spart noch jeder zweite, weisen die zuletzt verfügbaren Daten von 2001 aus. Und sie sparen nicht für sich – sondern für ihre Kinder und Enkel. Im Durchschnitt verschenkt jeder Rentner monatlich 300 Euro an seine Nachkommen.

Vom Sparwillen der Rentner profitieren jedoch nicht alle Nachfahren gleichermaßen. Das zeigen am besten die Nachlassstatistiken im letzten „Alterssurvey“ des Familienministeriums, der allerdings von 1996 stammt (der nächste soll 2004 erscheinen). Damals jedenfalls umfasste knapp ein Fünftel der Erbschaften weniger als 5.000 Mark, drei Viertel lagen unter 100.000 Mark und knapp 2 Prozent der Nachlässe überstiegen 1 Million. Die ungleiche Verteilung von Vermögen ist jedoch eine soziale Frage zwischen Arm und Reich. Einen „Generationenkrieg“ gibt es nicht – sondern starke Familienbande, wie Rentner tagtäglich beweisen, indem sie ihre Kinder und Enkel beschenken.