„Er redet mit allen“

Giovane Elber hat sechs Jahre für die Bayern gespielt. Heute will er sie mit Olympique Lyon besiegen

LYON taz ■ Ist Giovane Elber wirklich schon in Lyon angekommen? Sein Porsche hat weiter das Münchner Kennzeichen, eine Wohnung hat er noch keine gefunden, und wenn er über seinen Nachfolger Roy Makaay spricht, glaubt man, Uli Hoeneß zu hören: „Wenn der FC Bayern die Möglichkeit hat, so einen Spieler zu holen, muss er das tun“, sagt Elber.

Sechs Jahre sind eben eine prägende Zeitspanne, so lange hat der Brasilianer sehr erfolgreich („darauf bin ich stolz“) für die Münchner gestürmt. Am heutigen Dienstag geht es in der Champions League mit dem neuen Verein Olympique Lyonnais (OL) gegen den alten. „Natürlich ist das kein Spiel wie jedes andere“, sagt der 31-Jährige, „aber ich versuche da reinzugehen wie sonst: cool, abgeklärt.“

Er ist dabei, sich im Südosten Frankreichs einzuleben. Die Stadt und ihr Klub sollten ein akzeptabler Kompromiss sein für einen Mann, den der frühere Teamkollege Willy Sagnol als „Bonvivant“, als lebenslustig beschreibt, über den er aber auch sagt: „Der Arbeitsauffassung nach ist er ein Deutscher.“ Die Lyoner gelten als geschäftstüchtig und seriös, andererseits als Genießer. Nicht zufällig gibt es hier die besten Restaurants des Landes, und nicht umsonst sagt ein geflügeltes Wort, dass durch die Stadt der zwei Flüsse in Wirklichkeit drei Ströme fließen: die Rhône, die Saône – und der Beaujolais Nouveau.

Elber lobt die „professionellen Strukturen“ und die „familiäre Atmosphäre“ im neuen Klub. Sein Trainer Paul le Guen (39), der mit Paris Saint-Germain noch selbst auf ihn und die Bayern traf, freut sich über die fortschreitende Integration des Ankömmlings: „Er fühlt sich wohl und redet mit allen. Er hat nicht sechs Monate gewartet, um sich zu Wort melden. Und wir tun alles, damit er schnell vergisst, dass er neu hier ist.“

Die drei anderen Brasilianer im Kader helfen natürlich sehr: Weltmeister Edmilson, der wie der momentan verletzte Cacapa in der Abwehr agiert, dazu Mittelfeldspieler Juninho Pernambucano. OL ist fast schon traditionell Frankreichs Klub mit den meisten Brasilianern, ein „Lyon do Brasil“ sozusagen. Das weiße Trikot mit der Nummer 9 hat der treffsicherste Ausländer in der Geschichte der deutschen Bundesliga (133 Tore in 256 Spielen) ja auch von einem Landsmann geerbt, vom nach Spanien abgewanderten Sonny Anderson. Elber kann am neuen Arbeitsplatz also viel Portugiesisch sprechen. Und mit der Dolmetscherin des Südamerika-Quartetts lernt er fleißig Französisch.

Der brasilianische Einschlag ist den Lyonern auch auf dem Rasen anzumerken. Bei den vielen Kurzpässen und Drehungen ähnelt vor allem das Mittelfeld manchmal einem Kreisel. Die Spielweise ist attraktiv, aber weniger direkt als die der Bayern, was für Elber, meist Spitze eines 4-2-3-1-Systems, negative Folgen hat. Der Fachzeitschrift France Football zufolge kommt er bisher im Schnitt pro Partie nur 25-mal an den Ball und zwei- bis viermal zum Abschluss. In Frankreichs Liga, in der OL nach dem 1:1 am Samstag zu Hause gegen Sochaux auf Rang fünf rangiert, stehen drei Elber-Tore zu Buche. In der Champions League hat er noch nicht getroffen. Überhaupt hat Lyon dort erst ein Elfmetertor erzielt, zum 1:0-Sieg gegen Anderlecht. Anschließend verlor man bei den Glasgow Rangers 0:2.

Ein gutes Abschneiden in Europas Elite ist das große Ziel diese Saison, nach zwei Meistertiteln in Folge will sich Frankreichs finanzstärkster Klub auch international einen Namen machen. Der bisher größte Coup bei den Meistern war das 3:0 im März 2001 gegen die Bayern. Elber schlägt lachend die Hände vors Gesicht und erinnert sich vor allem an das Nachspiel: „Das Schlimmste war die Rede von Franz Beckenbauer.“ Die als Uwe-Seeler-Traditionself verunglimpfte Mannschaft holte anschließend den Titel.

Nun also die Neuauflage im Stade Gerland. Mit dem Brasilianer auf der anderen Seite. Schon komisch nach der langen Zeit in München. So ganz angekommen ist er wohl doch noch nicht in Lyon. Jetzt, sagt Giovane Elber, stürme er für „den FC Bayern Frankreichs“. RALF ITZEL