videorekorder: die ärzte, „unrockbar“

Die Ramones schickten uns einmal auf die Rock-’n’-Roll-Highschool. Die Ärzte hingegen schicken uns gleich in Therapie. In eine Rock-’n’-Roll-Selbsthilfegruppe, um genau zu sein. Einen crazy Sitzkreis, in dem Farin, Rod und Bela mit den Mythen und Manierismen des Sonnensystems Rockmusik jonglieren. Und ganz nebenbei der eigenen Mystifizierung kräftig Zucker geben. Nur angemessen für drei Post(moderne)Rocker, die von sich selbst ohnehin nur als der besten Band der Welt sprechen. Eigentlich aber sind die Ärzte mit einem Song wie „Unrockbar“, spätestens aber mit ihrem Video zu einem Song wie „Unrockbar“ zur Band von einem anderen Stern geworden. Zur Meta-Band, die ein Video dreht, wie Jim Henson oder später Matt Groening Puppen- respektive Zeichentrickfernsehen gemacht haben. Begeistertes Verlaufen im Wald der Codes und Zeichen inklusive. Augenaufreißen und Augenzwinkern im beschleunigten Viervierteltakt. Am deutlichsten wird dies vielleicht in der Schlusssequenz des Clips, in der sich die drei Ärzte jeweils zum Dutzend klonen und im strammen Marsch die schnöde Reichsparteitagsästhetik eines Marilyn Manson zu ungeahnter Abstraktion treiben. Auch toll: Farin Urlaub lernt in der Konfrontationstherapie, wie man einen Farbfernseher fachgerecht aus einem Hotelzimmerfenster befördert. „Mein Baby ist unrockbar, ihr wisst nicht, was das für ein Schock war“, tönt es dazu im Refrain. Man ahnt, dass es für Farin Urlaub, Rod Gonzalez und Bela B. ein viel größerer Schock wäre, fehlte ihren Babys jeder Sinn für Ironie. CLEMENS NIEDENTHAL