Stichwortgeber für George Bush

Paul Wolfowitz ist einer der wichtigsten Ideengeber für Bushs Außenpolitik. Schon vier Tage nach den Anschlägen vom 11. 9. plädierte er für Krieg gegen den Irak mit dem Ziel des Regimewechsels

WASHINGTON taz ■ Feigheit und Realitätsferne kann man Paul Wolfowitz nicht vorwerfen. Während sein oberster Chef, George W. Bush junior, auf einem Flugzeugträger im sicheren Kalifornien den Irakkrieg für beendet erklärte und seither störrisch behauptet, Irak sei auf dem Weg in eine rosige Zukunft, reiste der stellvertretende Verteidigungsminister bereits zum zweiten Mal in das vom Terror heimgesuchte Bagdad. Geplant waren Bilder mit Händeschütteln und lachenden Kindergesichtern für die Kameras. Stattdessen entging Wolfowitz nur knapp einem Anschlag. Die Attentäter hatten ihr Opfer mit Bedacht gewählt: den Architekten des Irakkrieges – die Symbolkraft seines Todes hätte kaum größer sein können.

Wolfowitz, der als Dekan die „Paul H. Nitze School of Advanced International Studies“ an der Johns Hopkins University in Washington leitete, bevor er in die Regierung wechselte, gilt als früher „Drahtzieher“ der US-Pläne für den Krieg. Der hochintelligente strategische Denker brachte eine Militäraktion ins Spiel, als Bush noch nicht entfernt daran dachte. Vier Tage nach den Terroranschlägen vom 11. 9. 2001 erläuterte Bush mit seinen Sicherheitsberatern den Plan für den Antiterrorkrieg in Afghanistan. Wolfowitz zeigte sich unzufrieden und verwies darauf, dass ein Einsatz in Afghanistan „zu kurzsichtig“ sei. Die weitaus größte Bedrohung gehe von Saddam Hussein aus, der bereit sei, ABC-Waffen an Terroristen zu verkaufen. Sein Rat: ein Militärschlag gegen Irak. Wie es heißt, war Bush zu diesem Zeitpunkt „noch nicht so weit“, gab Wolfowitz aber den dezenten Hinweis, er solle seine Pläne „vorantreiben“.

Dies tat er konsequent, warb beharrlich für seine Position und gewann. Ein Großteil seiner außenpolitischen Ideen, wie die „Pax Americana“, spiegeln sich heute in Bushs Positionen wider. Moralismus und Grundoptimismus leiten ihn, und er ist überzeugt, dass ein befreiter Irak die gesamte arabische Welt positiv beeinflussen werde.

Wolfowitz war stets der Meinung, die USA hätten den Irakkrieg nicht mit dem Argument der dort vorhandenen Massenvernichtungswaffen rechtfertigen sollen, sondern mit dem Ziel „Regimewechsel“. Während das Weiße Haus bis heute an der Behauptung festhält, Husseins ABC-Waffen hätten eine immanente Bedrohung dargestellt, ließ Wolfowitz bereits im Juni die Katze aus dem Sack. Berichte über Massenvernichtungswaffen seien in erster Linie aus politischen Gründen genutzt worden und niemals der Hauptkriegsgrund gewesen. Andere Gründe seien nicht salonfähig gewesen. Vielleicht helfen seine Unverblümtheit und die Erfahrungen des Attentats, die US-Regierung zu einem ehrlichen Umgang mit der Situation im Irak zu bewegen. MICHAEL STRECK