NEUE SPANNUNGEN AM HORN VON AFRIKA BEDROHEN DIE WELT
: Äthiopien geht uns alle an

Es klingt wie eine Routinenachricht aus einer fernen Welt: Die Festlegung der Staatsgrenzen zwischen Äthiopien und Eritrea wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Die zuständige Kommission legt ihre Arbeit nieder, weil Äthiopien den von ihr festgelegten Grenzverlauf strikt ablehnt. Ist es nicht unwichtig, wo genau in einer Hochlandwüste die Grenze zwischen zwei der ärmsten Länder der Welt verläuft? Genau diese Frage stellte sich die Welt, als am 12. Mai 1998 Eritreas Armee den äthiopischen Wüstenort Badme angriff und damit einen Krieg vom Zaun brach, der zwei Jahre dauern und 80.000 Menschen das Leben kosten sollte.

Heute bietet die unwirtliche Grenzregion ein selten gewordenes Schauspiel: Eine erfolgreiche UN-Blauhelmtruppe, die ihre Aufgabe der Waffenstillstandsüberwachung tadellos erfüllt. In Dschibuti steht die US-Armee, am Eingang zum Roten Meer die Bundesmarine, im Sudan herrscht Krieg, in Somalia Staatszerfall, am gesamten Horn von Afrika von Jemen bis Kenia geht die Angst vor Terroristen um – aber das kriegerische Länderpaar Äthiopien/Eritrea ist ein Hort der Stabilität.

Genau deswegen aber wäre ein Zusammenbruch des äthiopisch-eritreischen Friedensprozesses so katastrophal. Wenn sich die beiden Länder erneut Krieg liefern, brennt der Hinterhof der US-geführten Antiterrorkoalition am Horn von Afrika. Sucht dann vielleicht ein Land den Schutz der Vereinigten Staaten, und wandert dann das andere in die Arme von al-Qaida? Nichts ist unmöglich in einer Region, in der in den Siebzigerjahren die damaligen Kriegsgegner Äthiopien und Somalia bedenkenlos die damaligen Alliierten und Waffenlieferanten USA und Sowjetunion tauschten.

Der UN-Sicherheitsrat sollte nicht zögern, einzuschreiten und die Grenzkommission zu einer Revision ihrer Arbeit aufzufordern. Diese sollte von Gesprächen mit den beiden Ländern flankiert werden, um deren Kompromissbereitschaft auszuloten. Dann gibt es vielleicht eine Chance, dass der äthiopisch-eritreische Friedensprozess auch wirklich vorwärts in den Frieden führt – und nicht zurück in den Krieg. DOMINIC JOHNSON