Unser Mann in Bangkok

Crime Scene: Hard-boiled und ohne Rückflugticket in Thailand – Christopher G. Moores letzter Vincent-Calvino-Roman

Im Jahre 1988 siedelte Christopher G. Moore nach Thailand über. Er hatte eine sichere Existenz als Juraprofessor in Kanada aufgegeben, um sich in einem abgewrackten Neubauviertel von Bangkok zwischen streunenden Hunden und Abfallhaufen dem Schreiben von Kriminalromanen zu widmen. Moore hatte Erfolg, wenn auch nicht auf den ausgetretenen Pfaden des internationalen Buchmarktes.

Seine Krimis, die zum größten Teil in Thailand spielen, aber auch in Burma, Kambodscha oder Vietnam, haben den Kanadier in Asien zu einem Volkshelden gemacht: Moore wird ins Chinesische, Japanische und Thailändische übersetzt, und seine (englischen) Originalausgaben erscheinen bei Asia Books, Heaven Lake Press oder White Lotus – in Bangkok. Und weil Moore einen thailändischen Agenten hat, der in Paris lebt und in Wien von einem deutschen Kollegen vertreten wird, sind im Zürcher Unionsverlag mittlerweile drei seiner Vincent-Calvino-Krimis erschienen: „Haus der Geister“, „Stunde null in Phnom Penh“ und zuletzt „Nana Plaza“.

Vincent Calvino gehört zu den Ausländern ohne Rückflugticket, die sich in Bangkok in den Bars am Rand des Vergnügungsviertels rund um die Sukhumvit Road versammeln: Ex-Marines, gescheiterte Auslandkorrespondenten, gestrandete Touristen. Calvino ist zu ihnen gestoßen, als er nach einer Scheidung ein neues Leben möglichst weit entfernt von New York anfangen wollte. Mittlerweile arbeitet er in Bangkok als Privatdetektiv und ertränkt nachts seine Depressionen in Mekong Whiskey.

Gerade läuft das Geschäft schlecht, und darum nimmt Calvino einen Auftrag an, der nicht ganz auf seiner Linie liegt. Er soll als Leibwächter für den Amerikaner Naylor arbeiten, der in Bangkok ein Hotel kaufen will. Es stellt sich heraus, dass sein Schützling hinter einer boomenden Internetcommunity steht, auf deren Homepage sich ambitionierte Sextouristen über die Vorzüge verschiedener „Yings“ – Frauen also – und ihre ausdauernde Suche nach dem „Monsterfick“ in Bangkok austauschen. Doch für Calvino ist es bereits zu spät, um den Job hinzuschmeißen: Es geht längst nicht mehr um ein Immobiliengeschäft oder eine fragwürdige Website, sondern um einen groß angelegten Drogenschmuggel.

Die Fäden laufen am Nana Plaza zusammen, der in den Neunzigern der bekannteste „Fleischmarkt“ Bangkoks war und an dem auch Calvino immer wieder im Schlepptau von Naylor landet: „Es wimmelte von Bettlern, Kindern, die Kaugummi verkauften, Männern, die Blumen anboten, und Bar-Yings, die eine Zigarette rauchten. Ein paar Katoeys, Transsexuelle, in ultrakurzen Shorts klapperten das andere Ende der Plaza ab, um Touristen einzufangen und sie in ihre Bar zu zerren.“ Ausführlich beschreibt Christopher G. Moore diesen unwirklichen Ort, an dem frustrierte westliche Männer mit bitterarmen thailändischen Frauen um sexuelle Dienstleistungen feilschen.

Mitleid wird man in diesem Roman nicht finden. Calvino ist ein weitgehend desillusionierter Beobachter: „Sentimental zu werden ist das Schlimmste, was einem in Bangkok passieren kann.“ Das ist bitter, und manchmal ist man direkt froh, dass sich am Ende einer Szene die Sprache der klassischen hard-boiled novel mit ihrer Faszination für city lights und verregnete Straßen wie ein sanfter Schleier über die kaputte Welt des Nana Plaza legt – und die Nacht in Bangkok genauso aussieht wie im San Francisco oder Los Angeles der Vierziger: „Mond und Sterne waren hinter den Wolken verborgen. Leuchtende Neonreklamen spiegelten sich im nassen Asphalt.“  KOLJA MENSING

Christopher G. Moore: „Nana Plaza“. Aus dem Englischen von Peter Friedrich. Unionsverlag, Zürich 2003, 313 Seiten, 9,90 Euro