Die Gebühr, die Konto heißt

Studiengebühren sind auch bei den Grünen teilweise salonfähig. In deren Plänen heißen sie „Bildungskonto“. Wenn das überzogen ist, sollen ebenfalls Gebühren fällig werden. Doch Konsens ist das noch lange nicht

Die Diskussion um Studiengebühren ist wieder voll entbrannt. Zwar hat einer der Verursacher, Christoph Matschie (SPD), der parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, nach einem „persönlichen Gespräch“ mit seiner Ministerin Edelgard Bulmahn schon einen Rückzieher gemacht und noch am Montagabend gesagt, Studiengebühren halte er „nicht für den richtigen Weg“. Aber im bildungspolitischen Berlin brennt derzeit die Luft. Denn nicht nur die Sozialdemokraten geraten in Versuchung, klamme Bildungsetats von den Studierenden subventionieren zu lassen, auch die Grünen sind sich uneins.

„Die Reform der Bildungsfinanzierung ist dringend bearbeitungsbedürftig“, findet Sybille Volkholz, Mitglied der Bildungskommission der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Nicht zuletzt die Pisa-Studie habe den direkten Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen von Menschen nachgewiesen, sagte sie der taz. Sie plädiert für ein neues Modell der Bildungsfinanzierung: steuerfinanzierte Bildungskonten mit fest definiertem Guthaben sollen für jeden Menschen ab Geburt angelegt werden. Sei das, nach dem Abitur etwa, verbraucht, müsse man Eigenanteile zahlen. Finanzierungsmöglichkeiten über nachgelagerte Gebühren oder andere Regelungen ließen sich finden. In diesem Sinne hält sie das erst 2002 novellierte Hochschulrahmengesetz mit seinem Verbot von Gebühren für das Erststudium für einen „großen Fehler“.

Ähnlich sieht das Grietje Bettin, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Sie findet es „gefährlich“, eine zu oberflächliche Diskussion „in diesen Zeiten anzustoßen“. Es dürfe in der Debatte nicht um ein schlichtes Für oder Wider Studiengebühren gehen, sondern um die Beseitigung von Ungerechtigkeiten im Bildungssystem, sagte sie zur taz. Wer nach Schule und Lehre seine persönliche Ausbildung abschließe, finanziere diejenigen mit, die mit einem Studium „überproportional von diesem Bildungswesen profitieren“. Sie favorisiert daher auch das Bildungskontenmodell.

„Deutschland hat Nachholbedarf an ausgebildeten Studentinnen und Studenten. Dazu gibt es umfangreiches OECD-Material“, setzt dem Lisa Paus entgegen, die Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Die Einführung von Studiengebühren – egal in welcher Form – hat sofort negative Rückwirkungen.“ Die neue Diskussion sei ein „Reflex auf die Notsituation“. Paus ist auch gegen das Bildungskontenmodell. „Ich sehe da haufenweise Probleme, Haken und Ösen.“ Besser sei eine rein steuerfinanzierte Bildung. Denn wer studiere, verdiene oft auch mehr und könne einen entsprechenden Beitrag über Steuern leisten.

Das meinen im Übrigen auch die Betroffenen selbst. „Wer viel verdient, soll auch viel dazu beitragen, dass das Gemeinwesen funktioniert“, sagte Klemens Himpele vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren in Bonn der taz. Für ihn ist die laufende Diskussion „der lang geplante Abschied eines Wahlversprechens“. OLIVER HAVLAT