Milošević schuldig des Bosnienkriegs

Mit den Aussagen des ehemaligen EU-Vermittlers Lord Owen und des letzten jugoslawischen Premierministers Ante Marković wird der jugoslawische Expräsident schwer belastet. Slobodan Milošević hätte Massaker von Srebrenica verhindern können

aus Sarajewo ERICH RATHFELDER

Mit zwei wichtigen Zeugenaussagen ist der frühere serbische Präsident Slobodan Milošević in den letzten Tagen vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag schwer belastet worden. Sowohl der ehemalige Beauftragte der Europäischen Union im ehemaligen Jugoslawien, Lord David Owen, als auch der letzte Ministerpräsident Jugoslawiens, Ante Marković, erklärten übereinstimmend, Milošević trüge die Hauptverantwortung für den Krieg und die damit verbundenen Grausamkeiten in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995. Beide Zeugen erklärten zudem, bei dem Krieg habe es sich nicht um einen „Bürgerkrieg“ gehandelt, sondern um eine „Aggression“ aus Serbien und später auch aus Kroatien.

Lord Owen beschrieb in seiner Aussage die Position des Angeklagten positiver als die Anklage. Die Anklage geht davon aus, dass Milošević von vornherein beabsichtigt habe, Teile Bosniens und Herzegowinas zu erobern, die nichtserbische Bevölkerung zu vertreiben und den „ethnisch gesäuberten“ Teil Bosniens und Herzegowinas mit Serbien zu vereinigen.

Owen bestritt dies nicht. Er hielt aber Milošević im Gegensatz zu dem vom Tribunal noch gesuchten Oberkommandierenden der serbischen Truppen in Bosnien, General Ratko Mladić, für keinen „Rassisten“, sondern für einen „pragmatischen Nationalisten“. Sein Verdienst am Ende des Krieges sei es gewesen, Mladić und den damaligen politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, von den Friedensverhandlungen in Dayton fernzuhalten.

Miloševićc, so Owen, habe jedoch nichts unternommen, um die vorausgegangenen Friedenspläne, so auch den „Vance-Owen-Friedensplan“ von 1992, durchzusetzen. Milošević hatte in einer Stellungnahme vor drei Tagen das Massaker in Srebrenica 1995 bedauert und beteuert, keinen Einfluss auf die Entscheidungen der bosnischen Serben gehabt zu haben. Aus seiner Kenntnis heraus jedoch widersprach Owen, der als Verhandler der Europäischen Union mit Milošević ständig in engen Kontakt gestanden hatte. Milošević habe durchaus die Macht gehabt, die Massaker zu verhindern.

Der Genozid an den bosnischen Muslimen sei von vornherein geplant gewesen, erklärte bei seiner Vernehmung schon vorige Woche der ehemalige und letzte Premierminister des 1991 zerbrochenen Jugoslawiens, Ante Marković. Der im Dezember 1991 zurückgetretene Expremier und jetzt in Ungarn lebende Wirtschaftsreformer stellte vor Gericht klar, dass es Milošević gewesen sei, der jegliche demokratische und wirtschaftliche Reformen in Jugoslawien Ende der 80er-Jahre blockiert habe und damit die Hauptschuld am Zerfall des ehemaligen Vielvölkerstaates trage. Zusammen mit dem damaligen kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman habe Milošević bei einem Treffen in Karadjordejevo schon im März 1991, also drei Monate vor dem Beginn des Krieges in Kroatien, die Teilung Bosniens und Herzegowinas vereinbart. Er, Marković, habe mit beiden Politikern gesprochen und sie von diesem Weg abzuhalten versucht. Milošević habe ihm gegenüber erklärt, die bosnischen Muslime seien zum Islam konvertierte Serben und könnten höchstens damit rechnen, eine muslimische Enklave in Bosnien zugestanden zu bekommen. Tudjman dagegen habe als Rechtfertigung für die beabsichtigte Annexion von Teilen Bosniens betont, die bosnischen Muslime seien ursprünglich Kroaten und die EU würde der Gründung eines unabhängigen islamisch dominierten Staates in Europa nicht zustimmen.

Rund 200.000 Bosnier islamischen Glaubens wurden nach Ansicht internationaler Organisationen in dem Krieg getötet.