King der verblassenden Welt

Eine Platte, die nur noch in der Erinnerung Sinn macht: Rocko Schamonis feinem Ironiekonzept sind die Adressaten verloren gegangen. Die Verhältnisse lachen heute über sich selbst am lautesten

von JÖRG SUNDERMEIER

Das Album heißt: „The Best Of Rocko Schamoni“. Auf dem Cover sieht man Schamoni, der sich früher King Rocko Schamoni nannte, in einem Overall. Der Reißverschluss steht zu weit offen, die Haare sind streng gescheitelt und geschniegelt, der Blick ist forsch und fordernd. Rocko Schamoni, ein Lover, ein ironischer, ein schlauer, ein interessanter Typ. Es ist klar, dass diese Platte nie fünf Whopper im Burger King Magazin verliehen bekommen wird. Sie wird dort gar nicht besprochen werden. Schamoni und seine Musik ist nichts für Burger-King-Kunden.

Diese Platte kommt aus einer unendlich schönen Zeit. Sie war zwar nicht schön, doch heute kommt es allen so vor, als wäre sie schön gewesen. Weil es unbeschwert zuging, damals, Ende der Achtzigerjahre. Punk war toll, doch die Punks nervten, weil sie sich nicht wuschen oder weil sie ihre Werte hochhielten, als seien sie Konservative. Andere waren über Punk zum New Wave oder zum Jazz gekommen, Dritte zu Geld. Diese Leute trugen Anzüge und gaben sich überlegen.

Ihnen allen hielt Schamoni sein schönes Konterfei entgegen, er kleidete sich wie ein Astra-Stuben-Trinker, nutzte Tigerfell-Imitate und blöde Bärte und machte nicht mit. Seine Lieder handelten von Liebe, von Leuten, die sich „Tiger“ nennen lassen, und mit seinen Liedern konnte man auch noch einmal gegen die Lederjacke ankämpfen, die sich Papa stolz in den Kleiderschrank gehängt hatte, um sie auf Ted-Herold-Konzerten vielleicht doch noch mal zu tragen.

Diese Platte kommt aus den Achtzigerjahren, aus Westdeutschland, doch fast alle auf ihr versammelten Stücke sind aus den Neunzigern. Rocko Schamoni ist ein charmanter Entertainer, überraschend und witzig. Trotzdem hakt es mit seinem Humor – er funktioniert nur in den Parametern der Achtziger.

„Ich bin ein Bomber voll mit sexy Feelings“ – das ist ein toller Satz. Der Soul, die Diskoeinflüsse auf den Stücken, das lustige Doo-Wop eines Frauenchors, die Orgel – das ist gutes Arrangement. Allein, Schamoni bedient damit den Humor einer untergegangenen Welt, ein verblasstes Zeichensystem, Menschen, die es nicht mehr gibt. Es gibt nur noch Menschen, die sich an diesen Humor erinnern, die sich an eine Zeit erinnern, in der ein solcher Witz Sinn machte.

Heute gibt es den Tiger, den Astra-Trinker, die ganzen „Liebe ist Krieg“-Sager nicht mehr, die ernsten Punks und die selbstverliebten Machos. Machos sind zwar noch immer Machos, doch sie sind androgyn, beharren auf ihren Gefühlen und halten ihre gepflegte Kleidung nicht mehr für einfach gut, sondern eben selber für eine Masche.

Der Astra-Stuben-Trinker, der nicht vollends seine Gedanken gegen die Bierflasche eingetauscht hat, hält sein Image selbst für irgendwie „gebrochen“, er lässt sich Tiger nennen, doch er meint das Grrr, mit dem er seinem Girl antwortet, nicht mehr ernst. Heute sind alle sexy und geben vor, reich sein zu wollen, sie sind Discoteer und Punk, aber dabei nichts mehr wirklich. Selbst die Bild kennt inzwischen den heterosexuellen, gepflegten Mann, der geschickt mit Images zu spielen weiß.

Dass das so ist, hemmt Schamoni. Er nimmt nicht zur Kenntnis, dass sich die Welt verändert hat, dass die Verhältnisse, gegen die er ursprünglich vorging, mit ihm lachen. Die Klischees, die er in Songs wie „Eine Liebe wie ein Rocksong“ oder „Anders sein“, auf Platten wie „Galerie Tolerance“ oder „Jeans und Elektronik“ vorführen wollte, sind inzwischen als Klischees erkannt. Mit seinem ausgeklügelten Ironiekonzept muss Schamoni heute scheitern.

Nach dem Ende der Blockkonfrontation, nach offen schwulen CDU-Bürgermeistern, nach Geschlechterspiel und emotionaler Intelligenz kann man nichts mehr provozieren und verulken, denn die Verhältnisse sind nicht nur unklar und unsicher geworden, sie verulken sich auch noch selbst. Einen Club „Golden Pudel Club“ zu nennen, das war einst eine tolle Sache, inzwischen nennen sich aber Clubs mit Türsteher und VIP-Bereich „Pogo“ oder „Club“. Das Achtzigerjahre-Konzept der konsequenten Selbstverarschung ist inzwischen ein staatstragendes.

Rocko Schamoni ist nichts für Burger-King-Kunden, denn er ist zu gut, und sein Humor hat Referenzen, die nicht sofort auf der Hand liegen. Doch haben die Burger-King-Kunden Daniel Küblböck, und das nimmt diesem Witz, der einer war, sogar ein guter, heute jeden Biss. Bestenfalls könnte man Schamonis Werk heute noch als einen Aufstand gegen diese Entwicklung werten. Doch diese Platte zeigt zugleich, dass so ein Aufstand nicht mehr funktioniert. Die Adressaten, die dieser Humor hat, haben das Jahr 1990 nicht überlebt.

Rocko Schamoni: „Best Of“ (Trikont/Indigo)