Vom Arbeitslosen zum Beratungskunden

Der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in eine Bundesagentur beginnt. Private Vermittler fürchten die Konkurrenz

NÜRNBERG taz ■ Das Arbeitsamt wird zur Firma. Die Arbeitslosen heißen jetzt „Kunden“, die eine „Dienstleistung“ erwarten dürfen. Monatelang haben 25 Projektgruppen getagt, beraten von McKinsey; gestern wurde in Nürnberg der Startschuss für den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gegeben.

Die Bürger von Heilbronn sind die Ersten, die diesen neuen Dienstleister kennen lernen können. Im dortigen Pilotamt „wurde das Orakel von Delphi schon abgeschafft“, wie Projektleiter Rainer Bomba jenen von Jalousien verdunkelten Glaskasten nennt, der sich in den meisten Ämtern direkt neben dem Eingang befindet und offiziell „Pförtner“ heißt. Solch abschreckende Barrieren soll es nicht mehr geben. Außerdem will man „den Druck von den Fluren nehmen“, die Arbeitssuchenden sollen sich nicht mehr vor den Türen der Berater stauen.

Also werden die Kunden nun „segmentiert“, wie es in der Betriebswirtschaftssprache von McKinsey heißt. Da gibt es den „Informationskunden“, der nur mal schnell eine Frage stellen oder kurz Unterlagen abgeben will. Er wird schon an der Theke der „Eingangszone“ abgefangen – wenn er sich überhaupt noch die Mühe macht, im Amt vorzusprechen. Denn auch ein telefonisches „Servicecenter“ erteilt jederzeit Auskunft, verschickt Antragsunterlagen und vergibt Termine mit den Beratern. Nur die „Beratungskunden“, die aufwändige Gespräche über Jobchancen und Leistungsansprüche benötigen, sollen noch in die „Tiefen des Amtes“ vordringen. Bis zum 1. Mai sollen alle Arbeitsämter so funktionieren.

Nebenher, schon ab Dezember, gibt es den „virtuellen Arbeitsmarkt“. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können ihre Stellengesuche und -angebote dann selbst im Internet eintragen. Bisher mussten die Arbeitsämter die Informationen einstellen. Gleichzeitig wird die Suchmaschine www.arbeitsamt.de mit einigen privaten Jobbörsen verknüpft. Insgesamt dürfte sich das Internetangebot von jetzt 350.000 auf dann 400.000 Stellen erhöhen – auch die beste Technik kann Jobs eben nicht vermehren. Genau deshalb sind private Jobbörsen unglücklich über die amtliche Konkurrenz.

Die ist allerdings unterschiedlich effizient, wie ein interner Vergleich zwischen den Ämtern jetzt ergab. Manche Ämter benötigen nur 20 Tage, um eine offene Stelle zu besetzen, andere 40. Bei einigen Ämtern müssen Arbeitslose sieben Monate warten, um eine Qualifizierungsmaßnahme zu erhalten, anderswo sind es über neun Monate. Nun sollen die schlechtesten Arbeitsämter mit den Ergebnissen der besten konfrontiert werden, um in einem „Zieldialog“ die Missstände abstellen zu können. Allein bei der Weiterbildung ließen sich durch „Effizienzgewinne“ 210 Millionen Euro einsparen, schätzt Finanzvorstand Frank Weise.

Auch bei den Mitarbeitern ist der neue Geist noch nicht ganz angekommen. So können laut einer Umfrage knapp 90 Prozent von ihnen nicht erkennen, dass die Bundesanstalt überhaupt eine Existenzberechtigung hat. Immerhin finden fast 50 Prozent der Arbeitsamtler ihre eigene Tätigkeit sinnvoll. Aber es zeigen sich markante Unterschiede. Es gibt Teams, wo sich knapp 90 Prozent der Kollegen mit ihrer Arbeit identifizieren können, während es in anderen Einheiten nur ein Viertel ist. Auch hier sollen nun „Zieldialoge“ die Ursachen ergründen. Nächstes Jahr wird die Umfrage dann wiederholt. ULRIKE HERRMANN