christoph schultheis
: Drei Minuten schreien …

… hyperventilieren, in die Hose pinkeln? Und danach einschlafen? Die zweite Ausgabe von „Neon“ liegt am Kiosk

Irgendwo im neuen Neon hat die Redaktion einen Satz versteckt. Er lautet: „Das Normale verkauft sich nicht.“ (Und während wir diesem klugen, klugen Satz noch ein wenig nachsinnen, ist vielleicht Zeit für ein paar Worte Vorgeschichte. Wer die schon kennt, kann sie sich sparen. Ansonsten aber gab’s für junge Leute früher das Jetzt-Magazin. Montags, hoch gelobt und gratis in der SZ. Dann gab’s die Krise und kein Jetzt mehr. Aber Neon. Gemacht von Ex-Jetzt-Leuten. Und vom Stern. Heft 1 erschien im Sommer, als Test, verkaufte sich aber so gut, dass Neon ab Mitte Januar monatlich erscheinen soll – und heute schon Heft 2 am Kiosk liegt, kapiert?)

Und ums gleich vorweg zu sagen, die neue, zweite Neon-Nummer ist genau so, wie man es sich vorgestellt hat: Schlechter. Liebloser. Selbst wer bereits das erste Heft nicht leiden konnte, sah ihm den Eifer und meinethalben auch den Einfallsreichtum an, mit dem daran herumgebastelt worden war. Nun aber fragt Neon schon vorn auf dem Titel als Allererstes selbst: „Wie komme ich auf gute Ideen?“

Außerdem steht auf der Titelseite auch jetzt wieder der Leitsatz: „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“ – und Neon Nummer 2 tut alles, damit es damit endlich klappt. Wirklich: In Nummer 2 geht es wie selbstverständlich um Berufsunfähigkeitsversicherungen, Treue und Genügsamkeit, um die „Große Frage: Job oder Familie?“ und das verdiente Feierabendbierchen. Nummer 2 geht auf Nummer Sicher – und wirkt dabei fast so … normal wie das Mutterblatt, der Stern. Zumindest kann man das ja mal behaupten. Weil’s stimmt.

Okay, für Gesprächspausen auf der nächsten Party kann man sich merken, dass, wer sich kinderlos auf einem Spielplatz aufhält, Hausfriedensbruch begeht und dass aufgetaute Lebensmittel problemlos wieder eingefroren werden können. Aber wer geht schon auf Partys mit Gesprächspausen? Neon-Leser?

Andererseits muss man nicht alles mies machen: Als Antwort auf die Frage, wie es ist, unter einer Lawine begraben zu sein, erzählt einer, der’s erlebt hat: „Die Panikattacken haben vielleicht zwei oder drei Minuten gedauert: Schreien, hyperventilieren, in die Hose pinkeln. Danach war es im Grunde wie einschlafen.“ Das ist, ganz ehrlich, gut zu wissen. Und auch der von Anke Engelke angepriesene Robert-Palmer-Song „Aeroplane“ ist echt nicht schlecht. Danke für den Tipp.

Ach ja, und dann hätte ich gern noch so eine Geldbörse, wie sie die Freundin von „Susanne Klinger, 25, Berlin“ aus Ikea-Taschen näht. Die Freundin heißt Steffi. Sie kann sich ja mal melden. Unter ikeatasche@aol.com vielleicht. Das wäre nett. Und vielleicht hat sich ja das ganze Neon-Ding dann doch gelohnt.