Die Rückkehr der einfachen Wahrheit

Code of Cool, Emblem der Exklusivität, dabei inklusiver Gemeinsinnstifter – oder einfach nur ein laminierter beschrifteter Papierkreis vondrei Zentimeter Durchmesser mit einer Sicherheitsnadel hinten dran: Der Button ist auf unsere T-Shirts und Mantelkragen zurückgekehrt

von CLEMENS NIEDENTHAL

Einfache Wahrheiten bedürfen oft nur weniger Worte. Manchmal reichen sogar wenige Buchstaben. Einfache Wahrheiten kann man wunderbar vor sich her tragen. Symbolisch, oder auch ganz, ganz konkret. Man kann sie sich an die Brust stecken, ungefähr dorthin, wo auch das Herz schlägt. Kann sie ausstellen am breiten Kragen der ästhetisierten Existenz. Einfache Wahrheiten machen sich gut auf einem laminierten Papierkreis von, sagen wir, drei Zentimetern Durchmesser. Mit einem sicherheitsnadeligen Etwas hinten dran, was nicht von ungefähr auf die Sicherheitsnadelästhetik des Punk verweist. Oder aber auf den Handarbeitsgestus der Friedensbewegung.

Der Button hat sich einmal mehr an unseren Alltag geheftet. Er, der Marktschreier der Lebensstile und Weltanschaungen, reüssiert wieder auf den Laufstegen und vor den Rock-’n’-Roll-Bühnen. Kostet im Fünferpack bei H&M einen Euro neunundneunzig. Und wird am gestreiften Jackett des Strokes-Gitarristen Albert Hammond Jr. unbezahlbar. Der Button taugt zum radikal verdichteten Code of Cool, zeugt emblematisch von der Exklusivität seines Trägers. Gleichzeitig hat der Button aber auch das Zeug zum inklusiven Gemeinschaftssinnstifter. Als er im vergangenen Frühjahr ein kurz und bündiges „NO WAR“ verkündete zum Beispiel. Vom sonnenenergiegelben „ATOMKRAFT? NEIN DANKE“ – wohl dem Bestseller unter den Anstecklogos und längst Ikone der Populärkultur – ganz zu schweigen.

„No War“ und „Nein Danke“ also, denn der Button war und ist mehr Michael Moore denn Herbert Marcuse. Ist dazu gemacht, der Welt in Parolen Paroli zu bieten. In der Tat lassen sich ja signifikante Parallelen herstellen zwischen den Bestsellern eines Michael Moore und dem zurückgekehrten Bestseller Button. Die wenigen, programmatischen Worte etwa, die vermeintlich ausreichen, um ganz viel zu sagen. „STUPID WHITE MEN“-Anstecker jedenfalls wurden gerade erst zum ironischen Bekenntnis gegen den Amerikaentwurf eines George W. Bush. Und zum Aushängeschild einer eben auch zeichenhaften Opposition.

Denn vor allem das ist ja der Button: ein Zeichen. Ein Zeichen, um es mit dem französischen Zeichenbezeichner Roland Barthes zu sagen, das es gelegentlich zu eindrücklicher, ja beeindruckender Signifikanz bringt. Der Button ist ein perfektionierter Ableger des T-Shirts. Von jeglicher funktionalen Zuschreibung befreit und einzig dazu da, Botschaft zu sein. Er ist ein Aufkleber fürs Ich. Er verkündet die Lieblingsband, die Lieblingsdroge. In übersichtlicheren Zeiten verkündete er gar so etwas wie den Liebingslebensentwurf.

Sehnsucht nach Übersicht

Und vielleicht ist es ja auch ein wenig die Sehnsucht nach übersichtlicheren Zeiten, die uns den Button zurückgebracht hat. Oder vielleicht besser: uns zurück zum Button. „Wer diese Buttons trägt, der hält sein Wort“, verkündete ganz in diesem Sinne das Jugend-über-alles-Magazin Neon im gerade vergangenen Sommer. Dem ist zwar wahrscheinlich nicht so. Aber so ein Satz passt wunderbar in eine Zeit, in der wir Zwanzig- bis Dreißigjährigen uns von der charmant vorgetragenen Konsumkritik einer Judith Holofernes verzaubern lassen. Deren Band Wir sind Helden gibt es im Übrigen auch als Ansteckbutton. Da steht dann natürlich „WIR SIND HELDEN“ drauf.

Gemeinsam mit seinen Trägern aus den Sub- und Gegenkulturen der Sechzigerjahre hatte sich auch der Button auf einen Marsch durch die Institutionen gemacht. Er war losgelaufen mit den Mods, den Rockern und den Studentenprotestlern. Ist vorbeigerannt bei Malcom McLaren, Vivienne Westwood und ihrem Haute-Couture-Nihilismus. Und irgendwann angekommen im plastikbunten Mainstream der achtziger Jahre. „AUSZEICHNUNG FÜR TAPFERKEIT BEIM ZAHNARZT“ stand etwa auf einem Button, den ich ungefähr zeitgleich mit meiner ersten Zahnspange erhalten haben dürfte. Wahrscheinlich sogar aus genau diesem Anlass.

Dabei war der Button eigentlich zum Zähneausbeißen gedacht – für die semiotischen Guerillakriege, von denen Umberto Eco manchmal gesprochen hat und die der Subkulturtheoretiker Dick Hebdige in den Inszenierungen der Mods oder der Punks verwirklicht sah. Und war nicht der an die Brust geheftete Button in der Tat so etwas wie eine illegitime Aneignung? Ein symbolischer Guerillaakt? Gehörten an diesen Platz nicht eigentlich Dinge von staatstragendem Habitus? Eine Ehrennadel etwa. Oder das Ritterkreuz.

Es gibt eine Fotografie des jungen Pete Townsend, auf der dieser wunderbar mit diesen Chiffren und Zuschreibungen zu spielen weiß. Es zeigt den The-Who-Gitarristen im sandfarbenen Fliegerhemd, übersät mit Buttons, Aufnähern, Militärabzeichen. Die unterschiedlichsten Zeichen tummeln sich auf dem Oberkörper der Popikone. Sie streiten miteinander, sie löschen sich gegenseitig aus, sie werden umgedeutet, werden bricoliert. So wie das Hoheitszeichen der britischen Royal Air Force, jener blau-weiß-rote Kreis, der zum Logo der Mod- und mithin der Popkultur werden sollte. Und natürlich zum hunderttausendfach produzierten Ansteckbutton.

Denn letztlich ist auch das ein Geheimnis des Button: Seine Produktionsbedingungen. Bereits eine Investition von hundertfünfzig Euro ermöglicht es jeder Kellercombo, jedem Bürgerprotest und jeder Ich-AG, eine professionelle Buttonmaschine zu erstehen. Rohlinge für die ersten 1.000 Buttons bereits mitgerechnet.