Streik als stadtweite Maßnahme

Humboldt-Studierende beschließen Unistreik. TU-Proteste gehen in die dritte Woche. An der FU wird die Sitzung des Akademischen Senats gesprengt. 5.000 demonstrieren spontan durch die Innenstadt

von RUDI NOVOTNY
und MEIKE RÖHRIG

Die Proteste der Studierenden gegen die Sparpolitik des Senats haben sich gestern auf alle großen Unis ausgeweitet. Die Vollversammlung (VV) der Humboldt-Universität beschloss einen Streik. Ihre Kommilitonen an der TU votierten dafür, ihren bereits zweiwöchigen Ausstand fortzusetzen. Und an der FU sprengten Studenten die Sitzung des Akademischen Senats. Dort wollte FU-Präsident Dieter Lenzen sein Sparkonzept vorstellen.

In der kontroversen Debatte an der Humboldt-Uni gab es durchaus auch Gegenstimmen zum Streik. Anderen wiederum ging der vorbereitete Streikantrag nicht weit genug: Sie wollten Politikergehälter kürzen und eine neue Steuerreform entwickeln. Schließlich einigte man sich mit großer Mehrheit auf einen zunächst auf eine Woche befristeten Streik. Kommenden Mittwoch soll über eine Verlängerung abgestimmt werden.

Überraschenden Zuspruch erhielten die HU-Streiker von der Uni-Leitung. „Wir haben angesichts der Kürzungen volles Verständnis für das Verhalten der Studenten“, erklärte HU-Sprecherin Susann Morgner. Dass Uni-Präsident Jürgen Mlynek selbst in studentischer Kritik steht, nimmt sie gelassen: „Es ist klar, dass Mlyneks Vorschläge nicht nur auf Wohlwollen stoßen.“ Eigentlicher Gegner der Studenten sei aber der Senat.

Im Anschluss an die VV zogen tausende Studis in einer spontanen Demonstration zum Brandenburger Tor und weiter bis zur TU am Ernst-Reuter-Platz.

Dort brach die seit 14 Uhr tagende Vollversammlung in Jubel aus, als die Nachricht vom Streikeintritt der HU-Kommilitonen bekannt gegeben wurde. Matthias Mengel, Mitglied der Studentengruppe, die den TU-Streik organisiert, war sichtlich erleichtert: „Das ist gut. Wir brauchen dringend Unterstützung, sonst ist die Sache hier bald tot.“

Zwar waren rund 1.200 seiner Mitstudenten in das Audimax gekommen, um über den Streik abzustimmen, aber auch das war für Mengel kein Zeichen, dass der Streik an der TU erfolgreich sein wird: „Hier ist immer alles sehr euphorisch und nachher sitze ich doch wieder nur mit denselben fünf Leuten im Asta rum.“ Trotz der Skepsis der Organisatoren stimmte die Basis nach anderthalb Stunden Sitzung schließlich mit einer klaren Mehrheit für eine Fortsetzung des Streiks. Auch der Wunsch nach mehr Mitbestimmung in den Uni-Gremien wurde wieder in den Forderungskatalog aufgenommen. Anschließend demonstrierten rund 5.000 Studierende von HU und TU spontan Richtung Bahnhof Zoo.

Derweil hat die TU-Leitung laut Presseberichten unter dem Arbeitstitel „Horrorszenario“ die Konsequenzen der Senatssparvorgaben errechnet: Bis 2009 könnten in 30 Studiengängen keine Studenten mehr aufgenommen werden. Ab 2009 gäbe es dann insgesamt noch 19 Studiengänge.

An der Freien Universität kam es gestern zu Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Studenten und dem Präsidium: Rund 500 Studierende verhinderten die öffentliche Sitzung des Akademischen Senats mit einer Sitzblockade. „Wegen des großen Andrangs und des Informationsbedarfs über den Vorschlag zur künftigen Struktur“, ließ das FU-Präsidium anschließend verlauten, habe die Sitzung des Gremiums kurzfristig abgesagt werden müssen. Man lade nun zu einer Infoveranstaltung am Montag um 9 Uhr ins Audimax. Die Studierenden treffen sich schon heute zur VV in der Silberlaube.