Ein Pilot und Gentleman

„Die Kriegsführung macht herrlich Spaß!“: Der Dokumentarfilm „Von Werra“ zeichnet den schillernden Aufstieg und tiefen Fall des „Aristokraten unter den Kampffliegern“

Die Nazimedien haben ihn geliebt, den jungen Baron Franz von Werra. Auf den Titelseiten der Illustrierten posiert der Jagdflieger mit seinem Maskottchen, dem jungen Löwen Sima; im Frankreichfeldzug wird er mit den höchsten Auszeichnungen bedacht; nach seiner spektakulären Flucht aus der Kriegsgefangenschaft wird er vom Führer persönlich begrüßt und schreibt im Auftrag des Propagandaministers einen Bericht über die Flucht. Jagdflieger, Draufgänger, Gentleman – von Werra wußte sich wirksam in Szene zu setzen und dazu durchaus auch die Mittel zu nutzen, die das Regime bereithielt.

Sein Aufstieg und der des Regimes sind parallel verlaufen: Aus einer verarmten Walliser Adelsfamilie stammend, wird er zusammen mit seiner Schwester von einem deutschen Ehepaar adoptiert. Die Sportschule der SA bietet dem Jungen die Gelegenheit, den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen und in die „Aristokratie der Jagdfliegerei“ aufzusteigen: „Beten nützt nichts“, schreibt er seiner Schwester Emma einmal.

Der Dokumentarfilm „Von Werra“ von Werner Schweizer kommentiert diesen Aufstieg nicht ausdrücklich. Die Bilder und Zitate, die er anführt, um seine Geschichte zu erzählen, sprechen für sich. Wenn beispielsweise ehemalige Jagdflieger zu Wort kommen, die auch heute noch vom Krieg sprechen, als sei er eine Art sportliche Auseinandersetzung unter hoch qualifizierten jungen Männern gewesen, dann gewinnt ein Satz wie der, den Franz von Werra einmal schreibt, beinahe von allein an Tiefenschärfe: „Die Kriegsführung macht herrlich viel Spaß!“

Zitate aus Originalbriefen, Gespräche mit Zeitzeugen, Standbilder aus dem Familienalbum – diese Elemente teilt Schweizers Film mit anderen Dokumentarfilmen. Dass „Von Werra“ aber noch eine andere Dimension hat, verdankt er dem Schauspieler Hardy Krüger. Nur kurz nach dem Krieg waren nämlich die Engländer James Leasor und Kendal Burke auf das Manuskript gestoßen, in dem Franz von Werra von seiner abenteuerlichen Flucht aus der Gefangenschaft berichtet. Unter dem Titel „The One That Got Away“ wird die Geschichte 1958 von Roy Ward Baker in Großbritannien verfilmt – die Hauptrolle spielt der junge Deutsche Hardy Krüger. Mit diesem Film und seinem Erfolg beginnt damals Krügers internationale Karriere.

Jetzt, im Dokumentarfilm, folgt Hardy Krüger stellvertretend für die Zuschauer den Spuren seines historischen Originals und verknüpft diese Spuren mit der Geschichte seines eigenen Lebens. Ruhig, offen, gelassen deckt er Gemeinsamkeiten und Widersprüche auf: Auch er, Hardy Krüger, hat als Junge auf einer NS-Eliteschule den Traum vom Fliegen geträumt – aber sein Blick ist dann schnell kritischer geworden, weil er die Filme von jüdischen Regisseuren lieben lernte.

Wenn Hardy Krüger aus dieser Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte heraus feststellt, dass sein Leben und das von Franz von Werra gegensätzlich verlaufen seien, dann ist das keine billige Geste der Abgrenzung: Von Werra hat, nachdem er einmal in britischer Gefangenschaft war, alles daran gesetzt, zurück nach Deutschland zu fliehen. Nachdem ihm das gelungen war, lebte er noch wenige Monate, bevor er unter ungeklärten Umständen mit seinem Flugzeug abstürzte und ums Leben kam. Währenddessen, sagt Hardy Krüger, habe er selbst alles getan, um aus Deutschland herauszukommen. Stellvertretend für Franz von Werra träumt er jetzt, sechzig Jahre später, dessen Traum vom Reisen in ferne Länder weiter. ANNE KRAUME

„Von Werra“, Regie: Werner Schweizer, Eiszeit, Zeughofstr. 20, Kreuzberg