Berliner Al-Quds-Demo in neuem Gewand

Am Al-Quds-Tag kommen 1.000 Islamisten nach Berlin, um die „Befreiung“ Jerusalems zu fordern. Anders als im vergangenen Jahr kommt es kaum zu Hass-Parolen gegen Israel. Demonstranten äußern sich dennoch antisemitisch

BERLIN taz ■ Fast könnte man meinen: Reizend, wie die beiden vierjährigen Kinder an der Spitze des Demonstrationszuges das mannshohe Bild der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee vor sich her tragen und in die Fernsehkameras lächeln. Ebenfalls medienwirksam in Szene gesetzt: der Kinderwagenblock gleich dahinter.

Frauen und Kinder – sie bilden die Spitze des islamistischen Al-Quds-Aufmarsches. Fast 1.000 Menschen, zumeist Araber, Türken und Iraner, sind an diesem Samstag in die Westberliner City gekommen, um den Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag) zu begehen. Ajatollah Chomeini hatte diesen Kampftag 1979 ausgerufen, um für die „Befreiung Jerusalems“ zu demonstrieren.

Doch anders als in den vergangenen Jahren setzen die Veranstalter nicht auf Gewalt verherrlichende Hass-Parolen gegen Israel und die USA, sondern auf friedliche und versöhnliche Bilder. Weder ein Vater, der wie im April vergangenen Jahres seinen Sohn mit Sprengstoffgürtel-Attrappe auf den Schultern trägt, noch sonst irgendwelche brennenden US- oder Israel-Fahnen. Kaum Transparente, nur wenige Palästina- oder Hisbullah-Fahnen. Vielleicht hier und da ein Pappschild mit der bärtigen Fratze des Ajatollahs.

Aus dem Lautsprecherwagen ruft ein Redner zum Widerstand gegen jegliche Form von Rassismus auf. „Wir beten für Juden, Moslems und Christen, für Freiheit und Frieden in Palästina.“ Dem gestürzten irakischen Diktator Saddam Hussein erteilt er eine Absage wie den Anschlägen in Istanbul. Selbst als proisraelische Gegendemonstranten, 100 an der Zahl und abgeschirmt von Dutzenden Polizisten, versuchen, den Islamisten-Aufzug zu blockieren – die Demonstranten bleiben friedlich. „Ich kann die Empörung nicht verstehen“, sagt der 30-jährige Gürhan Özoguz aus Delmenhorst, der „nicht direkt“ zu den Veranstaltern der Demo gezählt werden will. Seit acht Jahren gebe es die Demo – „und plötzlich stehen wir unter Beschuss“.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte im Vorfeld eine harte Gangart gegen Volksverhetzung angekündigt. „Keine Gewaltverherrlichung in Wort, Ton und Bild“, lauteten die Auflagen. Polizeioberkommissar Jörg Nittmann berichtete, die Veranstalter seien sehr kooperativ gewesen. Er verschweigt aber auch nicht, dass es gleich zu Beginn des Aufmarsches doch zu einer Festnahme kam, weil ein Demonstrant ein Schild bei sich trug mit der Aufschrift „Juden sind Mörder“. Weitere 30 bis 40 Schilder wurden einkassiert.

Fragt man die Demonstranten, ergehen sie sich in antisemitischen und gewaltbereiten Tiraden. „Selbstmordattentate sind die einzige Möglichkeit, sich gegen Israel zu wehren“, sagt zum Beispiel ein Demonstrant, „die Israelis morden, wir morden zurück.“ Andere sprechen vom zionistischen Komplott gegen die islamische Welt. Ein Teilnehmer sagte, die Anschläge in Istanbul, bei denen Dutzende Menschen starben, seien von Bush, Blair und Scharon inszeniert worden. Er endet mit der Parole: „Tod allen Juden.“ FELIX LEE