DIE VERLEGER GEFÄHRDEN DIE JOURNALISTISCHE QUALITÄT IHRER ZEITUNGEN
: Eine zu simple Rechnung

Tarifverhandlungen – vor allem in Zeiten von Branchenkrisen – sind ein zähes Unterfangen. Die heute beginnende dritte Runde um die künftigen Vertragsbedingungen für RedakteurInnen an Tageszeitungen macht da keine Ausnahme.

Doch anders als die Verleger immer gern behaupten, geht es um mehr als die bloße Anpassung von Löhnen und Gehältern an die angespannte Ertragslage. Ja, die über Jahrzehnte überdurchschnittlichen Renditen der Zeitungsunternehmen haben einen Knick bekommen, vor allem weil die Werbeeinnahmen dramatisch gesunken sind. Und bei einigen überregionalen Blättern ist die Lage tatsächlich bedrohlich.

Die großen Regional- und Lokalblätter leiden dagegen gar nicht so sehr unter der Werbeflaute. Sie aber machen neun Zehntel der Presselandschaft aus. Noch immer heißt es etwa, Deutschlands größter Regionalzeitungskonzern, die WAZ-Gruppe, schreibe zweistellige Umsatzrenditen. Der Verlegerwunsch nach längeren Arbeitszeiten, weniger Urlaubsgeld und Verzicht auf Gehaltserhöhungen hat also mit dem kurzfristigem Aufarbeiten einer selbst verschuldeten Krise nur wenig zu tun.

Die solventen Zeitungshäuser nutzen vielmehr geschickt die von ihnen selbst geschürte depressive Stimmung, um endlich den Kostenfaktor Redaktion kleinzukriegen. Betriebswirtschaftlich gedacht ergibt das sogar Sinn: In allen anderen Bereichen der Zeitungsherstellung – Satz, Druck, Vertrieb – sind die Einsparpotenziale dank moderner Technik ausgereizt. Im Verhältnis dazu sind die Kosten für die journalistische Leistung prozentual gestiegen. Also runter damit. Die meisten Verleger sind schließlich nicht mehr Publizisten, sondern Unternehmer. Nur: Zeitungen sind immer noch publizistische Produkte, für die solch simple Rechnungen nicht aufgehen.

Journalistische Qualität hat ihren Preis, und der taugt nicht zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen. Dass diese Qualität hier und da zu wünschen übrig lässt, ändert daran nichts.

STEFFEN GRIMBERG