Klare Verhältnisse II

Die Suhrkamp-Saga geht weiter: Suhrkamp und Günter Berg trennen sich „in gegenseitigem Einvernehmen“

Nun ist also ebenfalls amtlich, was vielerseits als logische Konsequenz aus dem von Ulla Berkéwicz vor kurzem gewonnenen Machtkampf beim Suhrkamp-Verlag gesehen worden war: Günter Berg, noch von Siegfried Unseld zum Geschäftsführer ernannt, nach Berkéwicz’ Übernahme der Geschäftsführung aber nur noch einer von drei Stellvertretern, verlässt den Verlag, dem er 14 Jahre angehört hatte. Vielleicht, das weiß man ja bei „einvernehmlichen Trennungen“ nie, muss er Suhrkamp auch verlassen. Jedenfalls konnte, wie es heißt, „hinsichtlich der von den Gesellschaftern beschlossenen Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung keine Verständigung erzielt werden“. Von nun an stehen Berkéwicz nur noch der für das literarische Programm zuständige Rainer Weiß und der kaufmännisch orientierte Philip Roeder zur geschäftsführenden Seite.

Es ging also nichts mehr zwischen Berg und Berkéwicz – nach Walsers „Tod eines Kritikers“, den Berg zu verantworten und allein gegen die FAZ zu verteidigen hatte, weil er Berkéwicz ein Dorn im Auge war, nach den Antisemitismus-Vorwürfen gegen das Honderich-Traktat, nach dem erfolgreichen Sturm von Berkéwicz in die Geschäftsführung: von wegen Frühstücksdirektorin hier, graue Eminenz dort! Der Suhrkamp-Hickhack müsste nun eigentlich ein Ende haben: Die Verhältnisse sind geregelt, Ulla Berkéwicz hat die Macht, warum auch nicht? An der Machtfülle alter Verlegertypen wie eben Unseld hat sich selten jemand gestoßen, eher wird ihr Aussterben betrauert. Nun soll sie doch mal machen!

Aber ob sie es, wie die FAZ orakelt, nun leichter hat als all die von Unseld auserkorenen Kronprinzen, die nie seinem Schatten entkamen? Wohl nicht, bedenkt man, wie sehr sie als „Erbschleicherin“, „schwarze Witwe“ und dergleichen in so manchem Meinungsfeuilleton diffamiert wird. Argusaugen wachen jetzt, jeder verlegerische Fehltritt, den sich Berg durchaus leisten konnte, dürfte mit einem ordentlichen Ballyhoo begleitet werden.

Wenn aber auch die auf Berkéwicz’ Seite stehende FAZ irritierenderweise von einer „Unio mystica“ zwischen ihr und Unseld spricht, erweist sie Berkéwicz einen Bärendienst. Da wird einem doch mulmig, da bekommt man den Eindruck, Berkéwicz sei doch nicht ganz von dieser Welt. Ist es nicht schon unmöglich, mit lebenden Personen zu verschmelzen? Für Suhrkamp wäre es am besten, den Mythos Siegfried Unseld und den von der „Suhrkamp-Kultur“ loszuwerden, zumindest kleiner zu hängen. Tradition ist schön, Traditionspflege aller Ehren wert, aber auch eine schwere Bürde, vor allem aber zu wenig. Es wäre Ulla Berkéwicz zu wünschen, dass sie in Zukunft öfter mal ganz für sich allein ist und nicht jede Entscheidung „im Geiste Unselds“ trifft. GERRIT BARTELS