Porentief rein

Enge Familienbande und viele bekannte Gesichter: Sophia Lorens exakt einhundertster Film „Zwischen Fremden“ ist gleichzeitig das Regiedebüt ihres Sohnes Edoardo Ponti

Finten der Verleihpolitik: Da nennt man einen Film „Zwischen Fremden“, und dann taucht hinter jeder Ecke ein bekanntes Gesicht auf. Zudem eines, das sorgfältig nach den Maßstäben eines globalisierten Zielpublikums ausgewählt wurde: Mira Sorvino (USA), Pete Postlethwaite (England), Gérard Depardieu (Frankreich), Deborah Kara Unger (Australien), Klaus Maria Brandauer (Deutschland) und, quasi als Erste unter Gleichen, Sophia Loren (Italien). Und ja, sie sieht immer noch hinreißend gut aus, auch in ihrem exakt einhundertsten Film, was neunundneunzig mehr sind, als Regisseur Edoardo Ponti vorweisen kann.

Dass sie diesen Jubiläumsauftritt ausgerechnet einem Spielfilm-Debütanten überlässt, ist kein Zufall, sondern familiär begründet: Die beiden sind Mutter und Sohn. Nicht schwer zu erraten, dass es auch im Film hauptsächlich um Familienbande geht und darum, wie in ihnen die richtige Balance zwischen Selbstbestimmung und Umklammerung möglich ist. Die Idee des Plots – drei bedeutungsschwer miteinander verwobene Frauenschicksale – erinnert an „The Hours“, bloß werden die einzelnen Stränge nicht gnädig über die Generationen verteilt, sondern streng aristotelisch als Einheit von Ort und Zeit serviert.

Folglich fehlt dem Film die Möglichkeit, durch ständigen Wechsel der Schauplätze und der zeittypischen Accessoires ähnlich geschickt wie die Ausstattungsorgie „The Hours“ über so manche Monotonien im Drehbuch hinwegzuspielen, die sich unweigerlich einstellen, wenn die im Grunde genommen selbe Geschichte gleich dreimal erzählt wird. (Eine Art Umkehrung der Formel der Blockbuster-Serials von „Matrix“ bis „Herr der Ringe“: wo auch immer wieder die gleiche Story aufgewärmt wird, und man tut nur so, als seien es drei Filme.)

Auch in der Charakterzeichnung wird auf Vielfalt verzichtet. Der Film möchte individuelle Schicksale darstellen und weigert sich standhaft, seine Protagonistinnen anders als durch Rollenklischees zu definieren: die Tochter und Fotografin, die eigentlich Menschenrechtlerin werden möchte (Sorvino); die Mutter und Musikerin, die glaubt, ein Racheengel sein zu müssen (Unger); schließlich die Ehefrau und Supermarktangestellte, die die Künstlerin in sich entdeckt (Loren). Unglücklich und von ihrer männlichen Umgebung unverstanden sind sie alle drei. Ein Film mit der Tiefe von Gesichtswasser.

DIETMAR KAMMERER

„Zwischen Fremden“. Regie: Edoardo Ponti. Mit Sophia Loren, Mira Sorvino u. a. Kanada/Italien 2002, 95 Min.