Szenen nach einer Ehe

Am Schluss fallen alle Türen zu: Ein großer Regisseur tritt ab – Ingmar Bergmans letzter Film „Saraband“ lief im schwedischen Fernsehen

Ein Rückzug und Endspiel. Und ein Abschied. Vorgestern zeigte der schwedische Fernsehsender SVT Ingmar Bergmans neuen Film „Saraband“. Nun wird kein Sender mehr eine Uraufführung dieses Regisseurs zeigen können. „Saraband“ ist als letzter Film des 85-Jährigen angekündigt. Eine Tür schließt sich.

Im Film selbst knallt die Haustür sogar hinter Marianne ins Schloss, als sie in Johans Villa kommt. Dann fällt auch noch eine Korridortür zu. Marianne ist von jetzt ab eingeschlossen in einem Drama, wie er Bergman-typischer nicht ausfallen könnte. Formal ist „Saraband“ eine Wiederaufnahme des Fadens aus Bergmans „Szenen einer Ehe“. Wieder geht es um Johan und Marianne, wieder werden sie gespielt von Erland Josephson und Liv Ullmann. Nachdem sie ihn 34 Jahre nicht gesehen hat, besucht Marianne den jetzigen Professor emeritus. Der sich in die einsamen Wälder Schwedens und ein Haus mit Büchern zurückgezogen hat – von innen zugemauert.

Doch nicht Marianne und Johan selbst stehen im Zentrum. Sondern Johans Sohn Henrik und dessen 19-jährige Tochter Karin, eine talentierte Cellistin auf dem Weg zu einer vielversprechenden Karriere. Sie kann sich nicht aus den Klauen des Vaters befreien und will dabei auch Johan, ihren Großvater, einfangen, während der wiederum seinen Sohn Henrik gnadenlos erniedrigt. Gestörte Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern, inzestuöse Liebe, Kontaktlosigkeit, Rache, eisige Kälte. Bergman ist bei seinen Themen. Durch den Mund aller Beteiligten – in seiner eigenen altmodisch geschraubten Wortwahl selbst aus dem Mund der 19-Jährigen – hört man ihn sprechen von Schmerz, Trauer, Verlust, dem Leben ohne Sinn, Tod, Angst.

Eine der letzten Einstellungen zeigt Johan als stöhnend zitterndes Bündel Elend: Angst vor dem Tod, Einsamkeit, Hoffnung auf ein wenig körperliche Wärme. Vergebens! Der gerade wiedergeborene Kontakt zwischen Johan und Marianne endet in Leere. Doch ein Augenblick von Wärme beschließt den Film. Als Marianne ihre und Johans gemeinsame Tochter in der psychiatrischen Klinik besucht. Und über deren Gesicht nach Jahren des Eingeschlossenseins in eine eigene Welt plötzlich ein Hauch des Wiedererkennens huscht.

Weil „Saraband“ mit Digitaltechnik für das Fernsehen produziert wurde – das ZDF ist Mitproduzent –, hat Bergman eine Vorführung auf der Kinoleinwand abgelehnt. Aber auch so gab es großes Echo auf Schwedens Kulturseiten, wobei die Einschätzungen von „leuchtend“ bis „mittelmäßig“ reichen. „Kein fleckenfreies großes Finale und ganz bestimmt nicht der Kinofilm, den viele sich erhofft hatten“, urteilt die Stockholmer Dagens Nyheter – aber noch einmal ein Hinweis darauf, „wie arm wir gewesen wären ohne Bergmans starrköpfiges Suchen nach den Wurzeln der Liebe und dem ständigen Traum von Gnade und Versöhnung“. Ein „Concerto Grosso für vier Stimmen“ hat Bergman seinen Abschied genannt und gesagt: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich zufrieden sein kann. Aber froh, dass ich das in meinem Alter noch geschafft habe.“

REINHARD WOLFF