Berlin finanziert verbotene Forschung

EU-Länder einigten sich gestern nicht auf Regeln zur Forschung mit embryonalen Stammzellen. Weil entsprechendes Moratorium Ende des Jahres ausläuft, tritt 2004 der Vorschlag der Kommission in Kraft, der eine liberale Regelung vorsieht

AUS BERLIN WOLFGANG LÖHR

Der deutsche Steuerzahler wird ab Januar 2004 auch Forschungsprojekte mitfinanzieren, die hierzulande strikt verboten sind. Denn auch im zweiten Anlauf konnten sich gestern die EU-Forschungsminister nicht auf eine gemeinsame Position einigen, unter welchen Bedingungen Fördermittel für die umstrittene embryonale Stammzellforschung verwendet werden dürfen. Damit kann zum 1. Januar der von EU-Forschungskommissar Philippe Busquin vorgelegte Kriterienkatalog für die Stammzellforschung in Kraft treten. Dieser sieht lediglich vor, dass die zur Stammzellgewinnung notwendigen Embryonen vor dem Stichtag 27. Juni 2002 eingefroren sein mussten. Hierbei handelt es sich um Embryonen, die aus der künstlichen Befruchtung übrig bleiben. In Deutschland müssen alle befruchteten Eizellen auch eingepflanzt werden, in anderen Ländern aber – etwa Frankreich, Großbritannien – gibt es diese Regel nicht.

Anfang der Woche sah es noch so aus, als wenn die Forschungsminister sich auf einen Kompromiss einigen könnten. Ein von der italienischen Präsidentschaft unterstützter Entwurf Portugals schlug vor, dass EU-Fördergelder nur an solche Projekte vergeben werden, bei denen bereits bestehende Stammzellen verwendet werden. Der Stichtag für die Herstellung von Stammzellen wäre gestern gewesen.

Das entspricht auch dem Ziel von Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD): Wie in Deutschland sollen europaweit für die Forschung keine Embryonen zur Herstellung von Stammzellen vernichtet werden. In Deutschland ist nur das Arbeiten mit importierten embryonalen Stammzelllinien erlaubt, die bereits vor dem Stichtag 1. Januar 2002 existierten. Mit dem portugiesischen Vorschlag hätte zumindest verhindert werden können, dass mit den EU-Gelder die Vernichtung von Embryonen finanziert wird. Unterstützt wurde dieser Vorschlag von Österreich, Portugal und Italien.

Busquin bestand gestern jedoch – trotz anfänglicher Kompromissbereitschaft – auf eine liberale Vergabepraxis für Forschungsprojekte – und dem Stichtag für eingefrorene Embryonen und bereist existierende Stammzelllinien. Für die Position Busquins standen Großbritannien, Schweden, Belgien, Frankreich, Dänemark, Finnland, die Niederlande und Griechenland. Die Befürworter hoffen, mit Hilfe von Stammzellen Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer in Zukunft heilen zu können.

Da der Kommissionsentwurf im Ministerrat nur einstimmig gekippt werden konnte und das Moratorium zum Jahresende ausläuft, tritt nach EU-Recht nun der Kommissionsvorschlag in Kraft. Busquin sagte gestern nach der Sitzung, die ab Januar folgende irische Präsidentschaft werde das Thema im nächsten Jahr nicht mehr aufgreifen: „Es ist zu Ende.“ Forschungsministerin Bulmahn will sich mit der Enscheidung nicht zufrieden geben. Sie fordert eine Fortsetzung des EU-Moratoriums für die Stammzellforschung.