Fischer entsorgt Hanau und sein Gewissen

Der Bundesaußenminister will trotz politischer Bedenken den Export der Hanauer Atomanlage nicht verhindern. Für ihn komme es darauf an, ob eine militärische Nutzung ausgeschlossen werden kann. In der Partei rumort es

BRÜSSEL/BERLIN taz ■ Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wird sich nicht gegen den geplanten Verkauf der Hanauer Plutoniumanlage nach China wehren, den Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei seinem Besuch in Peking angekündigt hatte. „Es gibt manchmal die Situation, dass man bittere Entscheidungen treffen muss“, sagte Fischer gestern in Brüssel.

Er selbst halte „nicht viel“ von dem geplanten Geschäft, betonte Fischer. Seine persönliche Position zur Atomenergie sei bekannt. In seiner Zeit als hessischer Umweltminister hatte sich Fischer vehement für die Stilllegung der Hanauer Anlage eingesetzt.

Gestern erklärte der Außenminister und Vizekanzler, entscheidend seien die rechtlichen Möglichkeiten, den Export zu stoppen. „Das Verfahren läuft noch.“ Bei der Prüfung komme es darauf an, ob eine militärische Nutzung der Anlage ausgeschlossen werden könne.

Die Firma Siemens möchte die demontierte Brennelementefabrik für 50 Millionen Euro an China verkaufen. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) nannte Schröders Zustimmung „richtig“. Voraussetzung sei „eine Gewährleistung der chinesischen Regierung“, dass die Plutoniumanlage nicht militärisch genutzt werde.

Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte, er sei für das Genehmigungsverfahren nicht zuständig: „Über die Exportgeschichten entscheidet der Ausfuhrausschuss.“ Die Nachrichtenagentur dpa berichtete, Trittin habe auf die Frage, ob er Einspruch gegen den Verkauf der Hanauer Anlage einlegen werde, nur gelacht. Trittin wiederholte jedoch seine Einschätzung: „Das ist eine waffenfähige Anlage.“

Ungeachtet der rechtlichen Prüfung erneuerten zahlreiche Grünen-Politiker ihre Kritik an dem Exportgeschäft mit China. „Wir wollen das Ende der Atomwirtschaft“, sagte die grüne Spitzenkandidatin für die Europawahl, Rebecca Harms, der taz. Schon allein aus diesem Grund sei es „nicht vertretbar“, diese Anlage zu exportieren. Sie werde das Thema am Montag im Parteirat zur Sprache bringen, sagte Harms. „Es gilt zu klären, wie es zu dieser Situation kommen konnte.“ Auch der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, betonte: „Für uns ist das noch nicht gegessen.“ Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach von einem „erklärungsbedürftigen Vorgang“.

Wie inzwischen bekannt wurde, hatte Fischers Staatssekretär Jürgen Chrobog bereits im Oktober Zustimmung für die Verkaufsgenehmigung signalisiert. Siemens habe „einen Anspruch auf Erteilung“, schrieb Chrobog in einem Brief an das Umweltministerium. LUKAS WALLRAFF

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