Russen gehorchen Putin

Fast Zweidrittelmehrheit für kremltreue Parteien bei Russlands Parlamentswahlen. Liberale scheitern an Fünfprozenthürde, Kommunisten brechen ein. OSZE: Rückschritt für Demokratie

MOSKAU ap/dpa/taz ■ Obwohl gar nicht angetreten, ist er der eigentliche Sieger der Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. Die von ihm unterstützte Partei Einiges Russland lag nach der Auszählung von 98 Prozent der Stimmen mit 37,1 Prozent klar in Führung, wie die Zentrale Wahlkommission gestern in Moskau mitteilte. Überraschend stark, mit knapp 12 Prozent, schnitt die rechtspopulistische liberaldemokratische Partei LDPR von Wladimir Schirinowski ab. Die neue Partei Rodina (Vaterland), eine Abspaltung von den Kommunisten, zog auf Anhieb mit rund 9 Prozent in die Duma ein. Die drei Parteien, die Putin unterstützen, lagen mit zusammen knapp 300 Mandaten dicht an der Zweidrittelmehrheit der 450 Abgeordneten.

Die Kommunisten, die bei der Dumawahl 1999 mit 23,32 Prozent stärkste Partei gewesen waren, stürzten auf 12,7 Prozent ab. Sie kamen auf 53 Mandate. Die westlich orientierten Parteien Jabloko und Union rechter Kräfte (SPS) schafften nicht den Sprung über die Fünfprozenthürde. Sie zogen nur mit jeweils drei direkt gewählten Abgeordneten in das Parlament ein. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,77 Prozent und war um 10 Prozentpunkte niedriger als vor vier Jahren.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), am Wahltag mit 400 Beobachtern präsent, kritisierte die Wahl. Sie habe nicht den internationalen rechtlichen Standards entsprochen und stelle einen Rückschritt im demokratischen Prozess dar, sagte der Leiter der Parlamentarischen Versammlung, Bruce George. So sei Einiges Russland durch die übermäßige Nutzung des Staatsapparats und der Medien bevorzugt worden. Andere Parteien und Kandidaten seien dadurch benachteiligt worden.

Das sieht Wladimir Putin anders. Die Wahl sei ein weiterer Schritt zur Stärkung der russischen Demokratie, sagt er in einer Fernsehansprache. Für ihn ist klar, dass „diese Ergebnisse die wirklichen Präferenzen der Bevölkerung wiedergeben“.

Demgegenüber warf KP-Chef Gennadi Sjuganow der russischen Führung massive Fälschungen bei der Wahl vor. Diese „beschämende Farce“ habe „nichts mit Demokratie zu tun“, sagte er laut der Nachrichtenagentur Interfax. „Sie nehmen alle an einem widerlichen Spektakel teil, das, warum auch immer, Wahl genannt wird.“ SPS-Führer Boris Nemzow sagte: „Die Mehrheit wird jenen gehören, die für einen Polizeistaat stehen, für die Beschneidung von Freiheiten, für die Beseitigung einer unabhängigen Justiz.“

Der frühere Präsident Boris Jelzin warnte vor einer Verfassungsänderung, die Putin eine dritte Amtszeit ermöglichen würde, sollte er im März 2004 zunächst für eine zweite Periode wiedergewählt werden. „Russland braucht die Verfassung, die es jetzt hat“, sagte er. BO

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