Große Bankpolitik im kleinen Stralsund

Oberbürgermeister will Stadtsparkasse verhökern und könnte damit einen Präzedenzfall für das deutsche Bankenwesen schaffen. Als Käufer werden private Geldinstitute gehandelt. Nachteile für Mittelstand und Randbezirke befürchtet

Mit dem Verkauf der Sparkasse ließe sich der Haushalt Stralsunds sanieren

VON HERMANNUS PFEIFFER

Erstmals in Deutschland will ein Bürgermeister seine Sparkasse an eine private Bank verscherbeln. Die forschen Privatisierungspläne des Stralsunder Oberbürgermeisters (OB) Harald Lastovkas (CDU) hat das öffentlich-rechtliche Provinzinstitut immerhin auf die Titelseiten der bundesweiten Wirtschaftspresse gebracht.

Lastovka will die Sparkasse Hansestadt Stralsund (SHS) und ihre sieben Geschäftsstellen meistbietend auf dem freien Markt versteigern. Inzwischen ist die SPD ebenfalls eingeschwenkt und fordert in einem gemeinsamen Antrag ein Bieterverfahren, das quasi für jedermann offen ist. Am Donnerstag wird darüber die Bürgerschaft entscheiden, in der neben CDU (19 Sitze) und SPD (10) auch die PDS (12) sitzt. Zuvor hatte bereits der Verwaltungsrat der Sparkasse, den Lastovka anführt, mehrheitlich einer Privatisierung zugestimmt.

Als Käufer kommen neben anderen Sparkassen auch private Banken in Frage, heißt es in dem CDU-SPD-Bürgerschaftsantrag. Als Interessenten werden in Stralsund Commerzbank, Deutsche Bank und ausländische Geldgiganten gehandelt. Allerdings sind solche Offerten weder in der Sparkasse noch im Rathaus bekannt. Jedenfalls offiziell. „Der Bürgermeister fasst nur Sachen an, wo er enormen Rückhalt spürt“, heißt es im Rathaus. Stadtsprecher Koslik geht davon aus, dass der OB die Aktion bereits seit Monaten vorbereitet. Lastovka begründet seine Verkaufspläne mit der knappen Haushaltskasse in der nur noch 60.000 Einwohner zählenden Stadt, jeder Vierte ist arbeitslos. Mit dem Geld könnten etwa Schulen saniert werden. Stralsunds OB rechnet unter dem Strich mit höheren Einnahmen, wenn eine private Bank die Sparkasse kauft, die finanziell als gesund gilt. Der zweiköpfige Vorstand, der sich offenbar einer Privatisierung wiedersetzte, wurde entlassen.

In der Hansestadt kocht die Gerüchteküche. Die Ehefrau des OB sei mit der Gattin des Deutsche-Bank-Filialleiters befreundet. Andere Stimmen wollen wissen, dass auch PDS- und SPD-Vertreter, die zusammen in der Bürgerschaft den CDU-Plan kippen könnten, im Sparkassen-Verwaltungsrat heimlich zugestimmt hätten. Deutsche Bank oder auch die Commerzbank dementierten wiederholt konkrete Kaufabsichten.

Die Pläne stoßen in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten. So verbietet die Gesetzeslage eigentlich eine Privatisierung, wie ein Sprecher der Stralsunder Sparkasse meint. Auch der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband (OSGV) weist auf das Privatisierungsverbot hin, hält ansonsten den Plan für ein geradezu unsittliches Angebot, und die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Sigrid Keler (SPD), zitierte OB Lastovka herbei. „Wir werden umgehend für einen Sparkassen-interne Lösung sorgen“, sagte sie. Dagegen wurden Stimmen von Juristen laut, die eine Privatisierung schon vor 2005 für möglich halten. Sie begründen dies mit der kommunalen Selbstverwaltung, wie sie das Grundgesetz vorsieht.

In Stralsund regt sich Widerstand in allen Parteien. Ohne Sparkasse fehle Wettbewerb und die Preise würden steigen, in Randbezirken drohen Schließungen von Filialen und der Mittelstand dürfte es noch schwerer haben, an Kredite zu kommen. Die PDS sammelt Unterschriften gegen eine Privatisierung, die Gewerkschaft Ver.di protestiert.

Für die Frankfurter Großbanken ist die Provinzposse nur ein Test für die 2005 von der EU erzwungene Freigabe der deutschen Sparkassen. Die privaten Banken hoffen, profitable Marktanteile im Privatkundengeschäft zu erhalten und lästige Konkurrenz los zu werden. Bankenpräsident und Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Rolf Breuer fordert bereits kategorisch, Sparkassen „müssen privatisiert werden“.

Die Begehrten haben einiges zu bieten. Die Profitraten der Sparkassen sind höher als die der Großbanken, und fast jeder Bundesbürger besitzt statistisch in einer der 17.000 Zweigstellen ein Konto. Alle Aktiva der Sparkassen summieren sich auf rund 1 Billion Euro. Noch mehr Umsatz machen die ebenfalls (noch) öffentlich-rechtlich organisierten Landesbanken.