schweiz
: Nur Blocher kann sich bremsen

Rechtsruck in der Schweiz, der Demagoge Christoph Blocher in die Regierung gewählt – damit beginnt in einem weiteren europäischen Land der Versuch der Mitte-Parteien, einen autoritären, ausländer- und EU-feindlichen Populisten einzubinden. Dieses Arbeitspensum ist gewaltig – und kaum zu schaffen.

KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Geschuldet ist dies einerseits dem aus deutscher Sicht ungewöhnlichen politischen System der Schweiz, andererseits Blochers politischem Instinkt und seinem enormen rhetorischen Talent. Seine Schweizerische Volkspartei (SVP) ist aus den letzten Wahlen als stärkste Partei hervorgegangen. Mit einigem Recht hat ihr Blocher nun ein zweites der insgesamt sieben Ministerämter erkämpft. Dass der Autokrat sich selbst durchsetzte, geht auf seine Drohung zurück, andernfalls die SVP ganz aus der Regierung zu nehmen und Totalopposition zu betreiben.

Blochers Wahl hat nun zwar die „Zauberformel“ verändert, nach der seit Jahrzehnten die Machtverteilung in der Regierung geregelt wurde, aber dies hat noch nicht die Konkordanz zerstört, nach der die vier größten Parteien des Landes eine Dauerkoalition bilden, in der die für das Land typischen Kompromisse geschlossen werden. Hierauf beruht das Integrationsmodell à la Suisse: Nach Landessitte muss nun auch Blocher künftig alle Entscheidungen der Regierung mittragen, die er persönlich ablehnt.

Das gelang bei dem bisher einzigen Vertreter der SVP in dem Gremium. Blocher aber ist dafür nicht die Person. Auch wenn der Selfmade-Milliardär nur das Finanzministerium übernimmt, wird er auf allen ihm wichtigen Feldern Destruktion betreiben. Das wird nicht nur die Regierungsarbeit belasten und vielleicht sogar die Konkordanz sprengen, sondern auch über die Landesgrenzen ausstrahlen: etwa seine Ablehnung auch schwacher Formen der europäischen Integration und seine schäbigen Vorstellungen über Einwanderung und Asyl.

Das Viertel der schweizerischen Bevölkerung, das hinter Blocher steht, will das Land aufs Neue verspießern und angeblich vor jeder Globalisierung verschließen – obwohl die Eidgenossenschaft Großprofiteur der internationalen Finanzströme ist. Doch der maßlose Christoph Blocher wird weit über das Ziel hinausschießen. Wenn er übertreibt, muss er in die Opposition. Damit würde er vor dem Volk scheitern – nicht die schlechteste Schweizer Tradition.

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