Das teuerste Interview der Geschichte

Rolf Breuer, Exvorstand der Deutschen Bank, hat sich um Kopf und Kragen geredet, als ein Reporter ihn nach dem früheren Medienmogul Leo Kirch fragte. Gericht befand gestern: Bankgeheimnis verletzt. Jetzt droht Schadenersatz in Milliardenhöhe

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Rolf Breuer ist auf dem besten Wege, sich eine Eintragung im Guinnessbuch der Rekorde zu sichern. Denn sein Statement, das der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank im Februar 2002 einem Fernsehreporter ins Mikro sprach, droht nun zum teuersten Interview der Wirtschaftsgeschichte zu werden. Die Frage lautete damals, ob die Deutsche Bank noch bereit sei, dem angeschlagenen Medienkonzern von Leo Kirch zu helfen. Breuer antwortete wörtlich: „Das halte ich für relativ fraglich. Was man alles darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

Diese beiden Sätze, so entschied gestern das Münchner Oberlandesgericht, stellen eine Verletzung des Bankgeheimnisses dar, und somit hat Leo Kirch Anspruch auf Schadenersatzforderungen gegen die Deutsche Bank. Bereits im Februar diesen Jahres hatte das Münchner Landgericht verfügt, dass Kirch Anspruch auf Schadenersatz habe, dagegen war die Deutsche Bank in Berufung gegangen. Die Höhe der Ansprüche ist noch unklar, doch Kirchs früherer Vizevorstand Dieter Hahn legte noch vor dem Gerichtssaal die Größenordnungen fest: „Wenn festgestellt wird, dass die Insolvenz hauptsächlich durch die Deutsche Bank verursacht wurde, können da Milliardenbeträge zusammenkommen.“

Die Anwälte des ehemaligen Medienzaren hatten in ihrer Klage argumentiert, dass sich die Verhandlungsbedingungen mit verschiedenen Banken nach Breuers Aussage schlagartig verschlechtert hatten. Wenige Monate später fiel der Kirch-Konzern Stück für Stück zusammen, den meisten Bereichen stehen seitdem die Insolvenzverwalter vor. Die Deutsche Bank wollte sich zur Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht äußern.

Breuer hatte die Vorwürfe stets bestritten. Er habe in dem umstrittenen Interview nur bereits allgemein erhältliche Informationen widergegeben, sagte er vor Gericht und betonte: „Ich war davon überzeugt, Kirch kann geholfen werden.“ Allerdings habe er keinerlei spezifische Kenntnisse über Interna des Engagements der Deutschen Bank bei dem Medienkonzern gehabt: „Unsere Kreditakte Kirch habe ich nie gesehen.“ Das wollten ihm die Richter allerdings ebenso wenig glauben wie die Behauptung, der Fernsehreporter habe Breuer nur als Privatperson angesprochen, nicht aber in dessen Funktion als Vorstandschef der Deutschen Bank und Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken.

Möglicherweise war diese Haltung Glück im Unglück für Rolf Breuer: Eine Klage auf Schadenersatz gegen ihn selbst wiesen die Münchner Richter gestern ab. Ihre Begründung: Er sei persönlich nicht haftbar für seine Aussagen. Kirch-Anwalt Peter Gauweiler will gegen diese Entscheidung Revision einlegen.

Wie gestern zudem bekannt wurde, haben Kirch und seine Gläubiger ihre Ansprüche an die Deutsche Bank in einer Gesellschaft gebündelt und die Deutsche Bank vor einem Bezirksgericht in New York verklagt. In den USA werden oft wesentlich höhere Schadenersatzsummen gezahlt als hierzulande. Pech für Breuer: Sein rekordverdächtiges Interview fand in New York statt.