Vitamin B nützt der Unsterblichkeit

Trotz Spott: Der Expräsident Valéry Giscard d’Estaing ist in die renommierte Académie française gewählt worden

Der französische Expräsident Giscard d’Estaing kann sich trösten: Sollte bei den Verhandlungen in Brüssel dieser Tage der EU-Verfassungsentwurf durchfallen, der unter seiner Ägide ausgehandelt wurde, so ist ihm jetzt dennoch die Unsterblichkeit sicher. Zumindest in Frankreich. Erstaunlich reibungslos ist er am Donnerstagnachmittag in die berühmte Académie française gewählt worden, deren Mitglieder auch „Unsterbliche“ genannt werden. Schon im ersten Wahlgang der geheimen Abstimmung entfielen 19 von 34 Stimmen auf ihn. Am Ende wog das Vitamin B, die Kraft der Beziehungen, offenbar schwerer als die künstlerischen Argumente.

Denn Giscard d’Estaings Bewerbung für das Ehrenamt war in Frankreich eine heftige Polemik vorausgegangen, völlig unüblich für die sehr auf Diskretion bedachte Académie. Einige der Mitglieder des Altherrenclubs hatten die schriftstellerische Bedeutung des Politikers in Frage gestellt und seine Bewerbung als „rein politisches Manöver“ kritisiert. Schließlich war Valéry Giscard d’Estaing (in Frankreich kurz „VGE“ genannt) als Präsident von 1974 bis 1981 auch der oberste Hüter der Académie. Nun hat VGE seitdem, während seines langen Gangs durch die politische Wüste, zwar schon mal einen Roman geschrieben, der von der flüchtigen Begegnung zwischen einem Notar und einer blonden Frau handelte. 1994 erschienen, hatte das Werk mit dem Titel „Le Passage“ aber vor allem dem Spott der Buchkritiker auf sich gezogen.

Während in der Académie der Freund Jean d’Ormesson dennoch eifrig die Werbetrommel für Giscard d’Estaing rührte, ritt der Altgaullist Maurice Druon eine perfide Attacke gegen ihn. Mit seinen Ergüssen, so spottete Druon im Figaro Littéraire, sei VGE „nicht unvermeidlich in die französischen Literaturgeschichte“ eingegangen. Und fügte hämisch hinzu, zwei andere Staatspräsidenten, Charles de Gaulle und François Mitterrand, seien im Unterschied zu ihm tatsächlich Autoren von Format gewesen, aber hätten nie um einen Sitz in der Académie gebettelt.

Die Académie française gilt in Frankreich schließlich als eine Art Olymp der Geistesgrößen. 1635 von Kardinal Richelieu gegründet, gilt sie als Hüterin der französischen Sprache und beschäftigt sich etwa mit der Ausarbeitung einer Enzyklopädie. Giscard d’Estaing wird nun den Platz einnehmen, der durch den Tod des Schriftstellers Léopold Sédar Senghor, des Expräsidenten des Senegals, vor zwei Jahren frei geworden ist. Nach seiner Wahl zählt die Académie jetzt wieder 38 Mitglieder, 2 Sitze sind noch vakant.

RUDOLF BALMER