Manfred Stolpe wartet aufs Christkind

Ab heute könnte Verkehrsminister Stolpe die Mautverträge mit Toll Collect kündigen. Das tut er aber nicht: „Entschieden wird bis Weihnachten.“ Schließlich kann er nur auf das Konsortium hoffen, denn ein neues Verfahren könnte weitere Jahre dauern

aus Berlin BERNHARD PÖTTER

Bis Freitag passiert erst mal nichts. Die Verträge mit dem Betreiberkonsortium der Lkw-Maut Toll Collect werden heute nicht gekündigt, bestätigte gestern das Bundesverkehrsministerium. Ab heute hat die Regierung die Möglichkeit, das Ende des Vertrags anzumelden, was dann nach zwei Monaten zu seiner Auflösung führen würde. „Wir werden darüber bis Weihnachten entscheiden“, wurde gestern die offizielle Linie von Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) wiederholt.

Dem Konsortium unter Führung von DaimlerChrysler und Telekom sei zudem eine Rechnung von rund 1,3 Milliarden Euro zugeschickt worden. Das beinhalte Einnahmeausfälle sowie die Strafen für Vertragsverletzungen, hieß es. Bereits am Samstag war ein letztes Treffen zwischen Toll Collect und dem Verkehrsministerium ohne Ergebnisse geendet.

Die Politik signalisiert nun, man sei mit der Geduld am Ende. Ein Sprecher Stolpes erklärte, die Äußerungen von Toll-Collect-Chef Peter Mihatsch, er rechne mit dem Beginn des Mautsystem „im dritten Quartal 2004“, seien „mehr Wunsch und Wolke“ als eine konkrete Aussage. Das Konsortium habe gesetzte Termine zweimal verfehlt. Das mache misstrauisch, „dass ein dritter Termin haltbar ist“. Auch Albert Schmidt, grüner Verkehrsexperte, meinte: „Ich sehe nicht, warum Toll Collect noch eine Chance bekommen sollte.“

Stolpe sitzt in der Zwickmühle. Setzt er weiter auf Toll Collect, liefert er sich dem Konsortium aus, das bisher die technischen Probleme nicht unter Kontrolle bekommen hat und Schadenersatz ablehnt, ohne einen festen Starttermin zu nennen –„eine bodenlose Frechheit“, wie Schmidt meint. Der Vertrag sieht vor, dass Toll Collect seit Anfang Dezember monatlich 7,5 Millionen Euro Vertragsstrafe zahlt. Das ist weit entfernt von den 156 Millionen, die dem Bundeshaushalt entgehen, weil die Maut nicht kassiert wird.

Kippt Stolpe die Maut, werden seine Probleme aber eher größer als kleiner. Bis ein ganz neues Verfahren installiert ist, rechnen Experten mit mindestens zwei Jahren. Daneben würden zwei der größten deutschen Konzerne international blamiert. Und schließlich würde Bundesfinanzminister Hans Eichel zumindest einen Teil des Schadenersatzes an sich selbst zahlen. Denn den Anteil der teilweise im Bundesbesitz befindlichen Telekom würde indirekt der Steuerzahler überweisen.

Als Übergangslösung denkt Rot-Grün über verschiedene Varianten nach. Eine davon ist die gute alte Lkw-Vignette. Die bringt zwar nur 37,5 Millionen Euro im Monat, unterscheidet nicht zwischen Wenig- und Vielfahrern und hat den Nachteil, dass ihre Einführung wieder ein paar Monate dauern würde. Aber sie funktioniert. Und derzeit fahren die Brummis weiter gratis. Zumindest die deutschen Spediteure können sich momentan nicht über eine zu hohe Abgabenlast beklagen.