Am Freitag kann im 3001 mit Daniel Gräbner über seinen Dokumentarfilm “Haschisch“ diskutiert werden
: Alles für Europa

Zu Anfang bedeckt noch der Schatten von großen Hüten die Augenpartien der Bauern in Daniel Gräbners Dokumentarfilm Haschisch. Einer von ihnen trompetet keck: „Film‘ mich, Bruder! Die Rechnung kommt vom Gericht.“ Angeblich nur durch die Hilfe eines Kontaktmanns, der in den 70er Jahren als Aussteiger dort gelebt hatte, konnte das kleine Filmteam in das Anbaugebiet im marokkanischen Rifgebirge gelangen und das Vertrauen der Haschisch-Bauern gewinnen.

Der Anbau stark THC-haltiger Cannabispflanzen ist auch in Marokko nicht erlaubt. 1992, nach der Unterzeichnung einer Konvention der Vereinten Nationen zur Drogenbekämpfung, ließ die Regierung unter König Hassan II. 10.000 Drogenhändler verhaften. Doch die Maßnahmen trafen – und treffen bis heute – vorwiegend Dealer kleinerer Mengen Stoffs. Die größeren Händler, geben die Bauern der Kamera zu Protokoll, hätten die besseren Mittel, nicht erwischt zu werden oder würden sich einfach freikaufen. Zudem werden mit der verbotenen Pflanze in Marokko mehr Devisen verdient als durch den Tourismus. Und so kommt es, dass gegenwärtig zwei Drittel der in Europa erhältlichen Kiffer-Substanz im Rifgebirge hergestellt werden.

Mit kaum verhohlenem Selbstbewusstsein präsentieren sich die Bauern daher in Haschisch auch bald ohne Hüte, werfen mal verhangene, mal blitzende Blicke in Richtung des europäischen Publikums. Gräbners DigiBeta-Kamera begegnen sie bisweilen, als hätten sie das Weltgewissen vor sich. Nur in wenigen Momenten gelingt dem Film beiläufiges Beobachten. Daraus kann man niemandem einen Vorwurf machen, weder dem Filmemacher noch den Porträtierten. Denn aus dem Vertrauen, das Gräbner gewinnen konnte, sind die strukturellen Ungleichheiten des Weltmarktes nicht wegzudenken.

Aus diesem Grund sind neben einer Reihe von unprätentiösen Berichten und Bildern zu Saat und Ernte, der Produktion des begehrten öligen Pulvers und seinem Verkauf in handlichen Blöcken, in Haschisch einige Showtalente und begnadete Philosophen zu entdecken. Da das Leben in den Bergen des Rif zwischen Feldern, Lehmwegen und ärmlichen Häusern wenig Anlass für Romantisierungen gibt, erzählen die Bauern viel lieber von dem, was sie sich wünschen. Und das ist vor allem für die jüngeren von ihnen die Migration.

Ein junger Mann behauptet, anders als die anderen Leute im Dorf noch nie im Leben Haschisch geraucht zu haben. Sein Ziel ist eine Ausbildung zum Elektriker, und die soll ihn mindestens in eine größere marokkanische Stadt bringen. Ein anderer dekliniert am nächtlichen Lagerfeuer verschmitzt die vielen Wege durch, die nach Europa führen. Einige hat er selbst schon ausprobiert. Weil bei der Passage über die Meerenge von Gibraltar so viele im schäbigen Schlauchboot umkommen, hat er es vorgezogen, von Libyen aus nach Istanbul zu fliegen und die Überwindung des Schengener Vorhangs von dort aus in Angriff zu nehmen. Weil das scheiterte, setzt er jetzt auf ein ganz anderes Mittel: „Eines Tages werde ich eine Deutsche heiraten, ich schwör‘s.“

Seine epische Erzählung schließt er mit den Worten: „Vielen Dank, dass ich für die ganze Jugend Marokkos, nein, des Maghreb sprechen durfte.“ Daniel Gräbner hat einen Film über die Produktion von Haschisch machen wollen. Aber er hat es zugelassen, dass ihn die Bauern mit ihren eigenen Geschichten überraschen und dem Film eine völlig andere Wendung geben. Doch keine Angst: Wer in erster Linie wissen will, von welchen Menschen und unter welchen Bedingungen die eigene Lieblingsdroge hergestellt wird, erfährt hier immer noch genug.

Jana Babendererde

Do–Di, 20 Uhr (Fr mit Regisseur und Verleiher ) + 25.–30.12., 22.30 Uhr, 3001