Sudans Krieg verändert sein Gesicht

Die Regierung in Khartum und die südsudanesische Rebellenbewegung SPLA stehen kurz vor einem Friedensvertrag, der einen 20-jährigen Krieg mit 2 Millionen Toten beenden soll. Aber längst haben neue Konflikte den Platz der alten eingenommen

VON DOMINIC JOHNSON

Afrikas ältester Krieg steht vor dem Ende. Sudans Regierung und Südsudans Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) haben gestern im kenianischen Naivasha ihre jüngste Runde von Friedensgesprächen beendet. Bis Ende Januar könnte ein Friedensvertrag unterschrieben werden – eventuell in Washington.

Krieg zwischen den Herrschern in Sudans Hauptstadt Khartum und rebellierenden Völkern im Süden ist älter als die Kolonialzeit. In seiner heutigen Form als Rebellion der SPLA gegen den Zentralstaat läuft er seit 1983 und hat dabei schätzungsweise 2 Millionen Tote und 4 Millionen Vertriebene gefordert. „Ethnische Säuberung“ und das Aushungern ganzer Landstriche gehörten zu den Kriegsmethoden, vor allem nach der Machtergreifung eines islamistisch beeinflussten Militärregimes in Khartum 1986. Danach spielten sich im Südsudan die dramatischsten Hungerkatastrophen der Welt ab. In den letzten Jahren hat die Aufnahme der Ölförderung im Zentrum des Sudan dem Krieg eine andere Wendung gegeben: Die Ölfelder sind Kriegsziel der Rebellen, die Regierungsarmee vertreibt im Gegenzug die Zivilbevölkerung.

Als nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 die Stabilität Ostafrikas zu einer Priorität der US-Diplomatie wurde, leiteten beide Kriegsparteien unter starkem US-Druck einen Friedensprozess ein. In einer Reihe von Vorvereinbarungen – vom „Rahmenabkommen von Machakos“ vom 20. Juli 2002 bis zu einer „Sicherheitsvereinbarung“ am 25. September 2003 – ist nun geklärt worden, wie ein friedlicher Sudan aussehen könnte. Demnach beginnt sechs Monate nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages eine sechsjährige Übergangszeit, während der der Südsudan autonom ist – regiert von der SPLA. Nach sechs Jahren findet im Süden ein Referendum über die Selbstbestimmung statt. Im Gegenzug behält der Norden des Landes vorerst das islamische Scharia-Strafrecht bei. Während der Übergangszeit behalten Regierung und SPLA ihre jeweiligen Armeen, aber nur in ihren jeweiligen Territorien. Dazu kommen einige gemischte Einheiten im Süden und in Khartum.

Wichtige Fragen sind noch ungeklärt und blieben auch gestern noch offen. Zum einen ist noch nicht klar, welche Posten die SPLA während der Übergangszeit in der Zentralregierung erhält. Die SPLA will darüber hinaus Khartum zur neutralen Hauptstadt erklären – für die jetzige Regierung unannehmbar.

Ungeklärt ist auch die genaue Verteilung der Öleinnahmen zwischen Zentralregierung und Südsudan sowie die Grenze zwischen Nord und Süd: Die SPLA will, dass drei strittige Grenzgebiete des Nordens – der Distrikt Abyei, die Nubaberge und die Ostprovinz Blue Nile – dem Süden zugeschlagen werden.

Unabhängig von diesen Streitpunkten bedeutet das Friedensmodell einen Schulterschluss der beiden mächtigsten Fraktionen des Sudan auf Kosten aller anderen. Weder im Norden noch im Süden ist von der Machtbeteiligung anderer Gruppen außer der bisherigen Regierung und der SPLA die Rede. Doch im Nordsudan gibt es eine demokratische Opposition, und der Süden ist kein homogenes Rebellengebiet, sondern enthält zahlreiche unabhängige Milizen, die teils der Regierung, teils der SPLA zuneigen, zuweilen ihre Loyalität wechseln oder sich als Gegner beider Seiten betrachten. Es droht vor allem im Südwesten des Landes das Entstehen eines Flickenteppichs von Warlordgebieten, die einen staatenlosen Unruheherd bilden, gestärkt von Rebellen aus Uganda und der Demokratischen Republik Kongo.

Am dramatischsten ist jedoch, dass zeitgleich mit der Befriedung des Südsudan ein nicht minder brutaler Krieg im Westsudan ausgebrochen ist. Die drei Darfur-Provinzen an der Grenze zum Tschad sind seit Anfang dieses Jahres Schauplatz einer bewaffneten Rebellion, deren Niederschlagung durch die Regierung nach Schätzungen von Hilfswerken um die 700.000 Menschen in die Flucht getrieben hat, zum Teil bis in den Tschad. Die Darfur-Rebellenbewegung SLA (Sudan-Befreiungsarmee) agiert wie eine Kopie der SPLA und könnte nach deren Friedensvertrag deren Platz als bewaffnete Opposition einnehmen. Mit einem autonomen Teilstaat im Süden, andauerndem Streit um Öl, Krieg im Westen und wachsender Opposition in Khartum könnte es also gut sein, dass der Sudan als geeinter Staat den Frieden nicht überlebt.