Bei der Schöpfung helfen

Spaniens konservative Kultusministerin Pilar del Castillo will den Religionsunterricht aufwerten – und schreibt einen Nationalkatholizismus in den Lehrplan, über den sich General Franco gefreut hätte

VON REINER WANDLER

Irgendwann muss ihr die Erleuchtung gekommen sein. Und mit der Erleuchtung kam der Lehrplan. Still und heimlich veröffentlichte in der vergangenen Woche Spaniens konservative Kultusministerin Pilar del Castillo den neuen Themenkatalog für den Religionsunterricht im Staatsanzeiger. Und was die ehemalige Maoistin da vorschreibt, ist eine kleine Kulturrevolution – oder eine Rolle rückwärts.

Das Fach soll „bewusste, kritische und kreative Männer und Frauen erziehen“, steht da zu lesen. Der Religionsunterricht „mit seiner eigenen wissenschaftlichen Methode“ solle helfen „Antworten auf die großen Lebensfragen zu finden“. Warum beispielsweise aus religiöser Sicht „die Scheidung problematisch“ und die Euthanasie ganz und gar verwerflich ist.

Im Vorschulalter lernen die Kinder, dass „der menschliche Körper das Werk des göttlichen Schöpfers“ sei, wobei Gott aber auf die „Zusammenarbeit mit den Eltern“ angewiesen ist. Die Unterrichtseinheit „Der Geschlechtsunterschied Jungen–Mädchen als Gabe Gottes“ vertieft dieses interessante Thema.

In der Schule kommen die von Bischöfen ernannten und vom Staat bezahlten Lehrer wieder auf die Sexualität zurück: „Ihr Ziel ist die Fortpflanzung.“ Junge Christen können, so sie einmal einen kirchlichen Trauschein haben werden, dem lieben Gott dann „bei der Schöpfung helfen“.

Del Castilla hat hehre Ziele: Sie will einen neuen, gläubigen Spanier schaffen. Eine neue Generation soll nicht nur durch die versetzungsrelevante Note zum Nachbeten angespornt werden. Vielmehr „ist das Erreichen des Heiligenstatus das Ziel eines jeden Christen“.

Ihr Ziel sind Spanier, die stolz sind auf „die große menschheitsgeschichtliche Dimension der katholischen Kirche“, wie zum Beispiel „die Evangelisierung der neuen Welt, die Verteidigung der Ureinwohner“.

Dass diese Ureinwohner eher mit dem Schwert der Konquistadoren als mit dem Wort Gottes konfrontiert waren, das wird, wenn überhaupt, im Geschichtsunterricht behandelt. Das gleiche gilt für die Unterstützung, die der ebenfalls dezidiert nationalkatholische General Francisco Franco bei Bürgerkrieg und vierzig Jahren Diktatur durch den spanischen Klerus genoss – ohne Erbarmen für die über eine Million Opfer. Dergleichen stört die ehemalige Antifranqistin Del Castillo heute nicht mehr, denn „die katholische Konfession ist ein effektiver Beitrag zum persönlichen Reifungsprozess, der die Inhalte der Schulbildung in ein Wertesystem einordnet“. So steht es im Lehrplan.

Auch wer den katholischen Unterricht abwählt oder einer anderen Konfession angehört, entkommt dem frisch aufgewärmten Nationalkatholizismus keineswegs.

Das Alternativfach „Gesellschaft, Kultur und Religion“ soll den Schülern ebenfalls „die historische und kulturelle Dimension der Religion“ nahe bringen. Dort wird gelehrt, dass Ungläubigkeit nicht nur zu „Staatsatheismus“ führt, sondern auch zu „totalitären Versuchen, die Religion abzuschaffen“. Franco und seine Bischöfe hätten es schöner nicht ausdrücken können.