offener brief, schweizer parlamentswahlen etc.
: ICH WERDE NICHT MEHR IN DER SCHWEIZ AUSSTELLEN

ich will unnachgiebig sein, ich will diesen heute von den volksvertretern gewählten bundesrat nicht akzeptieren, denn nichts ist luxuriöser, nichts ist bequemer, nichts ist selbstgefälliger als jetzt demokrat zu sein – aber demokratie ist nicht unangreifbar, denn der heutige tag beweist, dass demokratie angreifbar ist – das problem der demokratie ist, dass sie ihre eigene unantastbarkeit impliziert – mir geht es nicht darum, gegen die demokratie zu sein, es geht mir darum, über die demokratie hinauszugehen, es geht mir darum, in überstürzung, in blindheit und in kopflosigkeit, mich selbst zu autorisieren, eine entscheidung zu fällen, die selbstüberwindung fordert, ich will mich überfordern, ich will mehr fordern, als ich verlangen kann, ich will nicht das mögliche, ich will das unmögliche – die kunst will nicht das mögliche, die kunst will das unmögliche – ICH WERDE NICHT MEHR IN DER SCHWEIZ AUSSTELLEN – in der kunst triumphiert das unmögliche über das mögliche, das ist der triumph über den narzissmus, über die depression, über ressentiment und über die angst – ich will unbeugsam sein, denn kunst ist nicht konsensfähig, kunst ist nicht diplomatisch, man kann keine kunst mit faulen kompromissen machen – man wird mir vorwerfen, träumerisch und unrealistisch zu sein, dabei will ich nur eine bewegung riskieren mit unkontrollierbarem verlauf, und ich will mir radikale verantwortung leisten, absoluten exzess – ich will etwas verantworten, was unverantwortbar ist und was mich destabilisiert, aber ich will einverstanden mit mir sein – ich will nicht kritisch sein, ich will nicht polemisieren, ich will einverstanden sein – denn für mich ist die kunst ein werkzeug, ein werkzeug, um mit der realität zu konfrontieren, ein werkzeug, um die zeit, in der ich lebe, zu erfahren, und ein werkzeug, um die welt kennen zu lernen – kunst ist auch eine widerstandsbewegung, kunst widersteht, kunst ist weder passiv noch reaktiv, kunst greift an – durch und mit meiner künstlerischen arbeit will ich mich mit der realität auf der höhe ihrer komplexität, ihrer dichte und unbegreiflichkeit auseinander setzen, ich will inmitten der unübersichtlichkeit handeln – ich will mutig sein, ich will mich nicht einschläfern lassen, ich will weiterarbeiten und ich will glücklich sein

thomas hirschhorn

Bis zum 11. Januar ist in der Schirn Kunsthalle Frankfurt die Ausstellung „Doppelgarage“ des 1959 geborenen Schweizer Künstlers Thomas Hirschhorn zu sehen. Bekannt ist der Künstler durch sein Bataille-Monument auf der documenta X, das er in einer Sozialsiedlung Kassels errichtete. Anlass seines offenen Briefs ist die Wahl des rechtspopulistischen Demagogen Christoph Blocher in die Schweizer Regierung durch die Bundesversammlung