Makelloses Herz

Wie eine berühmte Rapperin den Teenagerfilm rettet: Billy Woodruffs „Honey“ besticht durch einen Selbstfindungsplot mit einiger Anarchie und schwesterlicher Solidarität

Üblicherweise haben sich Mädchen in Teenagerfilmen mit leichter wiegenden Problemen herumzuschlagen: mit ihrem Erfolg bei den Cheerleadern, dem aktuellen Tratsch auf dem Schulhof oder dem passenden Partner für den Abschlussball zum Beispiel. Nicht so Honey aus dem nach ihr benannten Film „Honey“. Honey, dargestellt von Jessica Alba, die man durch James Camerons „Dark Angel“ kennt, ist ein, zwei Jahre älter als ihre Filmkolleginnen, sie hat die Highschool hinter sich und wohnt auch nicht mehr bei ihren Eltern. Bei Honey geht es schon darum, wie man am besten seine Hobbys zum Beruf macht, wie man sich – und das macht diesen Film trotz seiner märchenhaften, kitschigen und klischeehaften Voraussehbarkeit zu einer erfrischenden Emanzipationsgeschichte – als Mädchen in dieser Welt verkaufen kann, und zwar nach den eigenen Regeln.

Honey ist am glücklichsten, wenn sie tanzt oder wenn sie im Tanzstudio ihrer Eltern Kindern aus der wilden Nachbarschaft in Harlem Formationstanz, den Straßentanz, wie man ihn immer wieder in HipHop-Videos bewundern darf, beibringt. Noch muss sie sich mit Gelegenheitsjobs an der Bar und im Plattenladen durchschlagen, aber nach dem alten Mythos „vom Tellerwäscher zum Millionär“ ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie entdeckt wird und in den Clips eines bekannten Musikvideoproduzenten mittanzen und schließlich sogar selbst choreografieren darf.

Da Honey nicht nur über makellos ausdefinierte Bauchmuskeln verfügt, sondern auch über ein makellos ausdefiniertes Herz, denkt sie nicht nur an ihre eigene Karriere, sondern lässt in einem ihrer Clips die Kinder ihrer Tanzschule auftreten. Dann aber kommt es, wie es kommen muss, Moral, Moral, der Mammon ist schlecht, der Videoproduzent verlangt Gegenleistungen und sägt Honey ab, als sie sich ihm verweigert. Honey, fast zu gut, um wahr zu sein, besinnt sich auf ihre Wurzeln, verliebt sich in einen guten Jungen von nebenan, findet zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück, die Kinder von der Straße zu holen, und leiert den Kauf einer Halle an, in der sie ihr eigenes Tanzstudio aufmachen will.

Wäre der Film hier zu Ende, er würde sich komplett ins Strickmuster altbekannter Selbstfindungsplots mit viel Zeigefinger fügen; die emanzipatorischen Züge, dass es darum geht, eine smarte Rolle zu finden, die für Mädchen nach wie vor kaum selbstverständlich ist, wären sauber eingeordnet und entschärft. Aber dann geschieht zum ersten Mal etwas Überraschendes: Plötzlich hat – nach ein paar unwichtigen Gastspielen von halbprominenten HipHop-Stars wie Tweet, Ginuwine und Jadakiss & Sheek – Missy Elliott ihren furiosen Auftritt und bringt gerade so viel Anarchie in den Plot, dass der Film humorvoll Richtung wirkliche Befreiung kippt.

Missy Elliott, die berühmte Rapperin, die für ihre Unabhängigkeit bekannt ist, hat die Schnauze voll vom branchenüblichen „Pornogewackel“, übergeht den bösen Videoproduzenten und macht sich auf die Suche nach Honey, die ihren nächsten Clip choreografieren soll. Der Mammon ist vielleicht doch nicht ganz so schlecht, es lebe die Verschwesterung, und Honey wird sich in Zukunft wohl nicht mehr ausschließlich um ihre Bescheidenheit, um ihre wahren inneren Werte kümmern müssen. SUSANNE MESSMER

„Honey“. Regie: Billy Woodruff. Mit Jessica Alba, Mekhi Phifer, Makyla Smith u. a., USA 2003, 94 Min.