Der rätselhafte Anwalt

Jacques Vergès ist seit dem Beginn seiner Karriere in den 50er-Jahren ein Star unter den Anwälten. Unter seinen Klienten waren Männer wie der Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, der aus Venezuela stammende Terroristenchef Ramírez Sánchez, alias „Carlos“, und der jugoslawische Expräsident Slobodan Milošević – aber auch unbekannte Angeklagte, wie der wegen Mordes an einer französischen Millionärin angeklagte marokkanische Gärtner Omar Raddad. Vergès hat den Gerichtssaal zur politischen Bühne umfunktioniert. Die Technik benutzte er schon bei der Verteidigung der Algerierin Djamila Bouhired, die im Unabhängigkeitskrieg Bomben in von Franzosen frequentierte Cafés in Algier gelegt hat. Bei ihrem Prozess griff Vergès die Kolonialmacht Frankreich an. Wie bei den meisten seiner Fälle verhinderte er damit nicht die Verurteilung, schuf aber Aufmerksamkeit für ihr Anliegen. Später heiratete er sie.

Der 1925 geborene Sohn eines Franzosen und einer Vietnamesin wuchs auf der vor Westafrika gelegenen französischen Insel Réunion auf. Als Kind hat er am eigenen Leib die Vorurteile im kolonialen Frankreich erlebt. Als junger Erwachsener wurde er Résistant und Antikolonialist und vorübergehend auch Kommunist. Vergès lernte beim Studium an der Sorbonne in Paris und in der „Vereinigung kolonialer Studenten“, deren Präsident er ab 1949 wurde, künftige Führer aus der Dritten Welt kennen – darunter auch den späteren Chef der Roten Khmer, Pol Pot, mit dem er sich anfreundete. 1970 verschwand Vergès spurlos aus Paris. Über die acht folgenden Jahre seines Lebens hat er Stillschweigen gewahrt. Er selbst sagte einmal: „Ich war auf der anderen Seite des Spiegels.“ Die Medien spekulierten über einen Aufenthalt bei den Roten Khmer in Kambodscha oder radikalen Palästinensern.

Mit fast 80 Jahren hat Vergès die Verteidigung des früheren irakischen Außenministers Tarek Asis übernommen. Mitte Dezember war Vergès in Amman, um Gespräche mit der Familie Asis zu führen. DORA