Schmelzende Polkappen versperren Eisbären den Weg zum Lunch

Unter dem Klimawandel leiden vor allem Warmblüter. Sie können ihre Körpertemperatur nicht unbegrenzt senken – es droht Hitzschlag oder Kollaps des Stoffwechsels

BERLIN taz ■ Einige Reptilien wie Schlangen und Eidechsen lässt die Klimaerwärmung kalt. Denn steigende Temperaturen können den wechselwarmen Tieren, auch Kaltblüter genannt, kaum etwas anhaben – im Gegenteil. Da sie ihre Körpertemperatur nicht aktiv regeln, sondern den Außenverhältnissen anpassen, lieben sie tropische Temperaturen. Kälte hingegen macht ihnen zu schaffen – sie lähmt den Stoffwechsel. Dies könnte auch den Dinosauriern vor 65 Millionen Jahren den Garaus gemacht haben, als ein Meteorit auf die Erde prallte und eine riesige Staubwolke die Sonne jahrelang verdunkelte.

Ganz anders soll es in den nächsten 50 Jahren kommen. Die Opfer der nächsten Klimakatastrophe werden Warmblüter wie Schneehase, Eisbär und Pinguin sein. Die internationale Expertenkommission „Intergovernmental Panel of Climate Changes“ rechnet mit einem Temperaturanstieg zwischen 1,8 und 2 Grad Celsius.

Anders als Kaltblüter, die den Temperaturschwankungen hilflos ausgesetzt sind, können Warmblüter ihre Körpertemperatur eigenständig regeln. Wenn das Thermometer fällt, wird Fett verbrannt und dadurch Energie erzeugt. Außerdem sorgen zitternde Muskeln und das flauschige Fell für wohlige Wärme.

Wenn aber die Temperatur steigt, hilft nur eins: schwitzen. Dabei sorgt die verdunstende Körperflüssigkeit für Abkühlung. Tiere wie der Eisbär, die in nördlichen Breiten leben, besitzen weniger Schweißdrüsen als ihre Verwandten im Süden. Die Folge: Bei steigenden Temperaturen droht ihnen schnell ein Hitzschlag. Anfangs können erweiterte Blutgefäße noch für Erleichterung sorgen, weil dann mehr Blut an die kühle Körperoberfläche gelangt. Vor allem kleine Tiere sind im Vorteil: Denn ihre Körperoberfläche ist im Verhältnis zur Masse größer als die der wuchtigen Verwandten. Sobald sich im Organismus jedoch zu viel Wärme anstaut, wird die synaptische Übertragung im Gehirn lahm gelegt. Arktische Fische dagegen müssen weniger das zelebrale Blackout als vielmehr einen Kollaps des Stoffwechsels fürchten. Denn die dafür nötigen Enzyme laufen bei etwa 0 Grad zur Höchstform auf – und verlieren dann an Elan. Schlechte Aussichten haben auch Schmetterlingsarten in Norwegen und Schweden. Ihr genetisches Programm zwingt sie, im Larvenstadium eine Winterpause einzulegen, die durch fallende Temperaturen ausgelöst wird.

Trotzdem: Dem Großteil der Tiere können steigende Temperaturen nicht so leicht etwas anhaben, meint Professor Klaus Schildberger vom Zoologischen Institut der Universität Leipzig. Er zweifelt daran, dass eine Million Tierarten aussterben könnte, wie es eine Studie in der Zeitschrift Nature prophezeit. „Auf jeden Fall sind es nicht die steigenden Temperaturen an sich, die die Tiere bedrohen.“ Ausschlaggebender seien die dadurch bedingten Veränderungen des Lebensraumes. So werde Eisbären durch die schmelzenden Polkappen der Weg in ihre Jagdreviere versperrt. BETTINA GARTNER