daumenkino
: Nicholas Nickleby

Es gibt Filme, die gehen nur zur Weihnachtszeit, wenn das Sentiment seinen großen Auftritt hat. „Nicholas Nickleby“ kommt also zu spät. Regisseur Douglas McGrath („Emma“) hat aus Charles Dickens’ Roman nämlich ein melodramatisches Bilderbuch gemacht. Die Handlung beschränkt sich weitgehend auf den unglaublich unbeugsamen Titelhelden, den Charlie Hunnam als Kleiner-Lord-Verschnitt mit kühlem Nina-Ruge-Charme verkörpert. Als sein Vater stirbt, macht er sich mit Mutter und Schwester nach London auf, wo sie ihr mustergültig fieser Onkel Ralph (Christopher Plummer) erwartet. Der schickt Nicholas als Hilfslehrer ins Internat Dotheboys Hall, wo das Grauen keine Grenzen kennt. Schüler halten sie dort wie Hausschweine, doch dem tapferen Nicholas gelingt die Flucht, und nach vielen Verwicklungen wird am Ende alles gut.

Das ist natürlich ein Märchen, und als solches setzt es der Film in postkartentaugliche Bilder. Elend wie Glanz werden üppig ausgestattet. Nur selten geht das übers Dekorative hinaus; gerade dann, wenn der Film anrühren möchte, wirkt er bloß rührselig. Und die ausschweifende Erzählweise, die ja durchaus dem Dickens’schen Original entsprechen mag, macht im Kino seltsam müde. Wie sich ohnehin ein Fernsehmehrteiler für diese dick aufgetragene Story angeboten hätte. Zur Weihnachtszeit, versteht sich. Denn zu allem Überfluss hat McGrath auch eine message, die aus allem Übel Frohsinn zieht. Ganz nach dem Motto: Wer keine Familie hat, bastelt sich eben selber eine. Mit einem schneewittchenherrlich bunten Finale entlässt „Nicholas Nickleby“ die Zuschauer in diese zweifelhafte Gewissheit.

So sind es in erster Linie die schauspielerischen Leistungen, die den Film halbwegs retten, etwa der wunderbar bösewichtige Jim Broadbent als Mr. Squeers oder auch Jamie Bell, den wir schon in „Billy Elliot“ bewunderten, in der Rolle des behinderten Smike. Gutmensch Nicholas Nickleby bleibt eher blass. Sehr hübsch aber, dass man es den Figuren an der Nasenspitze ansieht, ob sie Monster oder Menschen sind. Die Welt ist hier einfach zu schön in Ordnung. Und morgen kommt dann wieder der Weihnachtsmann.

SHIRIN SOJITRAWALLA