PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Meine Waschmaschine zahlt der Staat

Durch Glücksspiel ist das Leben leicht zu finanzieren. Für ein todsicheres System braucht es nur eine linke Hosentasche

Das Erste, was auffällt, sind die vielen Apotheken. Zehn Schritte durch die Fußgängerzone von Baden-Baden und schon leuchtet das nächste große „A“. Allmächtiger! Dabei hatte man doch immer geglaubt, hier müsste es gesund sein zu leben. Das Gegenteil scheint der Fall. Auf 100 Baden-Badener kommt ein Apotheker. Von wegen Kurort, Thermalbäder und der ganze Käse. Irgendetwas muss hier krank machen, ich weiß nur noch nicht, was, aber ich werde es herausbekommen.

An meinen ersten Besuch im Spielcasino von Baden-Baden vor genau 7 Jahren und 5 Monaten erinnere ich mich besonders gerne. Weil ich wusste, dass man nur mit Jackett und Krawatte hineingelassen wird, hatte ich vorgesorgt. Aber nicht gut genug. Die Hose war aus einem schwarzen Jeansstoff gefertigt und fand nicht das Gefallen des Türstehers. Ich also retour und in der nächsten Buticke eine anständige Hose gekauft. Für damals 120 Mark. Mit einer gehörigen Portion Wut im Leib stand ich schließlich vor dem Roulette-Tisch. Das sollten sie mir büßen. „Diese Hose zahlt Vater Staat!“, hatte ich mir geschworen. Und ich verließ das Casino erst wieder, als ich die 120 Mark in der Tasche hatte. Mit einem sehr guten Gefühl.

Im Spielcasino zu gewinnen ist eigentlich ganz einfach. Beim Roulette setze ich fünf Euro auf Rot und warte. Kommt Schwarz, setze ich zehn Euro auf Rot und warte. Kommt wieder Schwarz, zwanzig and so on. Irgendwann kommt dieses verdammte Rot und dann habe ich fünf Euro gewonnen. Den Gewinn stecke ich in die linke Hosentasche und beginne dann von Neuem. Das ist ein todsicheres System. Mein linkes Hosentaschensystem.

Damals fragte ich mich, warum wir nicht alle, bevor wir Hosen oder andere Dinge kaufen, zuerst ins Spielcasino gehen und dort das Geld dafür abholen. Ein paar Wochen nach dem Zwangserwerb der 120-Mark-Hose benötigte ich dringend eine neue Waschmaschine und beschloss, sie mir in Baden-Baden zu finanzieren. Krawatte um und los.

Seither weiß ich, dass 13-mal hintereinander Schwarz kommen kann. Es hatte nur ungefähr eine halbe Stunde gedauert und ich war um 1.275 Mark ärmer.Und hatte noch immer keine Waschmaschine. „Schweinebande“, dachte ich und mir fiel wieder jener Geländewagenfahrer ein, der vor einigen Jahren in seiner Wut die Treppen zum Casino hinaufgefahren war und mit seiner Stoßstange die schönen Schwingtüren demoliert hatte. In meiner Verzweiflung vögelte ich die ganze Nacht mit Jutta und war am andern Morgen doch noch immer schlecht gelaunt.

Vielleicht hätte ich es doch genauso machen sollen wie jenes schon ältere Paar, das ich im Spielcasino von Bad Wiessee eines Abends beobachtet hatte. Er saß an der Bar und tat unbeteiligt. Sie stand am Roulette-Tisch und wartete, bis kurz vor dem „Nichts geht mehr“ die Hektik der Spieler am größten war. Ich sah, wie sie ihren Arm von hinten an den Spielern vorbei ausstreckte, sich einen 500-Mark-Chip vom Tisch grapschte und schnell im Gewühle verschwand. Im Vorbeigehen steckte sie den gestohlenen Jeton dem Mann an der Bar ins Jackett. So ging das eine ganze Zeit, ehe die beiden ihren „Gewinn“ von 3.000 Mark abholten und das Casino verließen. Aber meine Angst, erwischt zu werden, war doch zu groß.

Vor ein paar Tagen spülte mich der Zufall mal wieder nach Baden-Baden. Das Hotel hatte ich mit Bonus-Punkten meiner Kreditkarte bezahlt, nur das Abendessen ging auf meinen Geldbeutel. 160 Euro für zwei Personen. Das Glas Riesling allein schon für zehn Stutz. Das pupfert einen Schwaben. Das lässt ihm keine Ruhe. Da fiel mir das linke Hosentaschensystem wieder ein, und wenig später setzte ich im Casino wieder fünf auf Rot.

Um es abzukürzen: Das Abendessen (Hummercremesüppchen, Barbarie Entenbrust und Variationen vom Mousse) zahlte an diesem Abend das Casino. Und den Wein natürlich auch. Ordentlich Wein. So viel Wein, dass ich am nächsten Morgen dringend eine Aspirin in der nächsten Apotheke holen musste. Jetzt verstand ich.

Fragen zu Klatsch? kolumne@taz.de Dienstag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA