Handeln wie ein Kaltblüter

In James Foleys kühlem Spielfilm „Confidence“ leiden die Trickbetrüger an Temperamentsschwankungen, obwohl sie doch kontrolliert bleiben müssen

Der Grifter-Codex, das Berufsethos des Spielers und Trickbetrügers, ist ein verbindliches Wertesystem: unantastbar und integer. Doch ein einziger Satz vermag diesen Ehrbegriff außer Kraft zu setzen. „Manchmal,“ sagt Dustin Hoffman in James Foleys „Confidence“, „kann Stil dich umbringen.“ Hoffman ist Winston King, „The King“, ein von der Mafia unabhängiger Gangsterboss. Er operiert von einem miesen kleinen Stripclub aus, einem Ort, den er er sich ganz nach seinem Herrschaftsmotto erschaffen hat: Stil ist hier keine Option mehr. Das Licht ist fahl und hässlich, das Ambiente steriler als auf einem U-Bahnhof und die Musik wummert anonym wie schäbige Porno-Muzak. So sieht sie aus, die Welt der Grifter und der Con Artists, der kleinen Betrüger, die ihre Tricksereien mit dem Pathos großer Kunst aufzuwerten versuchen. Aber am Ende bleiben nur dieses Jucken, die entzaubernde Frage nach dem Geld. Jake Vig (Edward Burns) hat für Vertreter dieser Spezies wenig Verständnis: „You're just a sick, twisted fuck.“

Jake ist der Kopf einer mobilen Einheit freischaffender Trickbetrüger, denen jedes Mittel recht ist, ans schnelle Geld zu kommen: Versicherungsbetrug, Import/Export, Buchhaltergeschäfte. Es ist so einfach: „Du siehst das Geld, und du willst es.“ Eines Tages geraten sie jedoch an den Falschen. Sie erleichtern den Buchhalter von „The King“ um 150.000 Dollar, und der tötet im Gegenzug Jakes Partner. Jakes einzige Chance, aus dem Dilemma herauszukommen, ist im Auftrag des „King“ einen von dessen Konkurrenten im großen Stil übers Ohr zu hauen.

„Confidence“ taucht ab in die urbanen Submilieus, die David Mamets „Das Haus der Spiele“, Stephen Frears „The Grifters“ und diverse Elmore Leonard- Verfilmungen schon so eindrucksvoll wie mitleidslos geschildert haben. Timing und Präzision lauten die Überlebensstrategien der Hochstapler in der Glitzerwelt zwischen Casino und Juweliergeschäft, und wenn „Confidence“ sich etwas von diesem glamourösen Flair bewahrt hat, dann die geschmeidige Ruhelosigkeit zwanghafter Spielernaturen. Die Kamera wie auch die Bilder selbst sind permanent in Bewegung, Blicke wandern umher, Einstellungen schieben sich gegenseitig aus der Bildbegrenzung. Nicht mehr die Montage wird zum Erzählprinzip erhoben, sondern die Sukzession von Mikroereignissen. Ein Schritt führt zum nächsten wie bei einer Schachpartie. Trickbetrug ist nur ein Spiel, ein Con Game. Nicht mehr als ein leerer Manierismus, jedoch mit Symbolcharakter. „Temperament ist ein Zeichen von Schwäche“, sagt der schmierige FBI-Agent Gunther Butan (Andy Garcia), als er zwei korrupte Cops um ihre Beute erleichtert. Das ist oberstes Gebot: Der Con Artist muss handeln wie ein Kaltblüter, um nicht den Überblick zu verlieren.

Kühl ist „Confidence“ in jeglicher Hinsicht. Mehr als jedes anderes heist movie, jeder andere klassische Einbruchfilm, erzählt er von einem Zustand absoluter Selbstkontrolle. In jeder Einstellungen offenbaren sich die eigene Konstruiertheit, die Variation hinlänglich durchdeklinierter Elemente aus Klassikern wie „Rififi“ oder Melvilles „Drei Uhr nachts“. Und die Figuren sind permanent angehalten, menschliche Regungen (abgesehen von materialistischen Luxus-Affekten) zu unterdrücken. Bezeichnenderweise leiden zwei Figuren im Film, „The King“ und Butan, unter pathologischen Temperamentsschwankungen. Ihre mentale Verfassung ist eine schöne Metapher für den ganzen Film. Die Medikation ihrer Wutausbrüche erzeugt einen Zustand absoluter Beherrschtheit, und so erweist sich die Gangster-Welt in „Confidence“ letztlich doch als hochgradig unflexibel.

ANDREAS BUSCHE

„Confidence“. Regie: James Foley. Mit Andy Garcia, Dustin Hoffman u. a. USA 2003, 97 Min.