Den Job zu gut gemacht

Urbanis Pläne: Die Biennale und die Filmfestspiele in Venedig sollen kommerzieller und italienischer werden

Noch muss Moritz De Hadeln, Direktor der Filmfestspiele von Venedig, sich nicht arbeitslos melden, obwohl er auf der Abschussliste des italienischen Kulturministers Giuliano Urbani steht. Am Mittwoch gab’s vom scheidenden Verwaltungsrat der Biennale unter Präsident Franco Bernabè noch schnell einen Dreimonatsvertrag für De Hadeln, der nun als „Berater“ die „Kontinuität garantieren“ soll, bis Urbani mit seinem neuen Personalpaket rüberkommt.

Dass De Hadeln und wohl auch Bernabè auf Urbanis Abschussliste stehen, überrascht auf den ersten Blick. Der Berlusconi-Minister hatte die beiden, den Ex-Berlinale-Chef und den alerten Manager, vor zwei Jahren inthronisiert, um endlich Biennale und Filmfestival auf Kurs zu bringen. Schluss mit „Hegemonie der Linken“ und „Subventionskultur“, Straße frei für Hollywood und Marktwirtschaft, hießen die Losungen. Doch Urbani ist enttäuscht – und eine linksliberale Zeitung wie La Repubblica bescheinigt De Hadeln, er habe „die große Inkorrektheit begangen, seinen Job gut zu machen“.

Urbani holt nun zu einer Generalreform der Biennale aus, die ihm selbst das Recht der Nominierung des Präsidenten (der seinerseits den Festivaldirektor beruft) einräumt. Der Forza-Italia-Politiker weiß auch, was die neue Spitze leisten soll: eine Aufwertung des Standorts Italien schaffen, sprich heimische Produktionen lancieren, zugleich aber auch möglichst viele Hollywoodstars an den Lido holen.

Entsprechend fallen die Namen der möglichen Kandidaten für die Präsidentschaft aus. Im Gespräch ist Francesco Alberoni, Soziologieprofessor à la Habermehl, der zurzeit im RAI-Verwaltungsrat das Staatsfernsehen auf Berlusconi-Linie bringt; alternativ wird Piero Melograni genannt; der Historiker wurde 1996 für Forza Italia ins Parlament gewählt. Sie sollen das Festival kulturell wie kommerziell auf Linie bringen. Als Festivaldirektoren sind der Schauspieler Giancarlo Giannini und der Produzent Marco Müller favorisiert. Im rechtsliberalen Corriere della Sera lästert der konservative Schriftsteller Valerio Riva, das Urbani-Projekt führe stracks zum Untergang der Festspiele, während der linke Manifesto der Regierung ins Stammbuch schreibt, dass sie auch bei ihrem offensichtlichen Interesse an Geld und Macht „wissen sollte, dass die ‚Produkte‘, so sie denn in der Gesellschaft und auf dem Markt anerkannt werden sollen, wenigstens ein Minimum an Anziehungskraft behalten müssen“.

Vielleicht fiel deshalb der Name Marco Müller. Fragt sich nur, wie ausgerechnet der Exdirektor der Festspiele von Locarno, der heute Filme wie etwa den bosnischen „No Man’s Land“ produziert, den Urbani-Auftrag „Kommerzialisiert Venedig!“ erfüllen soll. MICHAEL BRAUN