lexikon der globalisierung
: Was ist eigentlich der „Generationenvertrag“?

Was bedeutet „Global Governance“? Ist eine „Strukturanpassung“ generell positiv? Warum gilt ein „Bedenkenträger“ gleich als Blockierer? Was steckt hinter all den Begriffen, mit denen die globalisierte Welt beschrieben wird? Treffen sie zu, oder werden sie verzerrt oder zu eng gesehen – und wer profitiert davon? Die taz will aufklären und Hintergründe sowie alternative Definitionen aufzeigen. Idee und Ausführung stammen aus dem wissenschaftlichen Beirat von Attac, dem rund 100 ÖkonomInnen, SoziologInnen, PolitologInnen und JuristInnen angehören. Er versteht sich nicht als Teil von Attac, sondern als unabhängiges Germium. (taz)

Pacta sunt servanda: Ein Grundsatz, der im Völkerrecht auch des Globalisierungszeitalters noch als mehr oder weniger anerkannt gelten kann, wird im globalisierungsgeplagten Wohlfahrtsstaat zunehmend in Frage gestellt. Es gehörte zu den zivilisatorischen Fortschritten des nationalen, demokratischen Wohlfahrtskapitalismus, das gute, alte Prinzip der generationenübergreifenden Familienunterstützung zu entprivatisieren und ein öffentliches System des Ressourcentransfers zwischen gesellschaftlichen Generationen zu etablieren. Mit der großen Rentenreform 1957 (nicht früher) hat sich die bundesdeutsche Gesellschaft sozialpolitisch verpflichtet, die jeweilige Generation der Betagten mit einem existenzsichernden Alterseinkommen auszustatten und sie zugleich an den Früchten des Wachstums teilhaben zu lassen. Alte Menschen wurden damit – im Prinzip – zu sozial gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern, denen es vergönnt sein sollte, ihren Lebensabend frei von materieller Not zu verbringen.

Die Erwartung der Jüngeren, im Alter selbst in den Genuss dieser sozialhistorisch als revolutionär zu bezeichnenden Errungenschaft zu kommen, bildete die Grundlage des „Generationenvertrags“ – und damit der sozialen Integration der Nachkriegsgesellschaft. Dem Vernehmen nach ist jedoch die nachwachsende Generation nicht länger willens, den Vertrag zu erfüllen. Über die angebliche Überversorgung der Alten und die vermeintliche Ausbeutung der Jungen wird geklagt. Und die Klage kommt nicht von ungefähr. Denn eine Politik, die sich selbst unter institutionalisierten Sparzwang setzt und für den Druck von Finanzmärkten und Versicherungsindustrie empfänglich ist, schürt den gesellschaftlichen Zweifel an Angemessenheit und Funktionsfähigkeit einer kollektiven Altersvorsorge. Durch die Riester-Reform wurde der Generationenvertrag bereits mit einer individuellen Öffnungsklausel versehen. Die jüngsten Sparmaßnahmen koppeln den Normalrentnerhaushalt endgültig von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung ab. Und die zunehmende Neigung, die Sozialrente unter Renditegesichtspunkten zu diskutieren, zielt bewusst an der Idee solidarischer Alterssicherung vorbei und zersetzt die moralische Ökonomie des Wohlfahrtsstaats. Immerhin: Die globalisierungsbedingt entmachtete Politik ist noch in der Lage, dem Generationenvertrag aktive Sterbehilfe zu leisten. Sic transit gloria mundi. STEPHAN LESSENICH