daumenkino
: „Eine Affäre in Paris“

Wenn ein Franzose eine Amerikanerin fragt, ob sie seine Mätresse werden will, wäre eigentlich eine Ohrfeige das mindeste. Nicht so im neuen Streich von Merchant-Ivory. Die schöne Isabel (Kate Hudson) sagt ja, und der rechtskonservative Politiker Edgar (Thierry Lhermitte) darf sich genüsslich zurücklehnen. In dieser Szene fliegt der ganze Schwindel auf. „Eine Affäre in Paris“ ist nicht die angekündigte bissige Culture-Clash-Satire. Sondern ein Beitrag zur Völkerverständigung. Vergessen wir also alles, was sich Amerikaner und Franzosen während des Irakkriegs an den Kopf warfen. Franzosen betrachten Ehebruch als Kavaliersdelikt. Amerikaner verwechseln jede Affäre mit der großen Liebe. Das französische Tabu heißt Geld. Das amerikanische Sex. Und so weiter. Isabels Akt der Grenzüberschreitung wischt alle Gehässigkeiten beiseite und offenbart damit nonchalant die Faszination, die zwei große Nationen füreinander empfinden.

Was aber hält diese Affäre im Innersten zusammen? Heimlicher Hauptdarsteller ist nicht etwa Paris, sondern die berühmte Kelly-Handbag von Hermès. Das Objekt der Begierde aller Frauen, getragen von Grace Kelly, Preis: 4.500 Euro aufwärts. Damit kriegt Edgar jede rum, zumindest im stockbürgerlichen Milieu der Handlung. Die ist verworren. Sie beinhaltet Isabels schwangere Schwester Roxeanne (Naomi Watts), ihren flüchtigen Ehemann Charles-Henri (Melvil Poupaud), sowie deren figurenreichen und charakterarmen Sippen. Weil die Scheidung ansteht, streitet man sich um ein Gemälde. Dieses verkörpert einen imaginären Wert, den man in den Menschen vergeblich sucht. Als es für 4,1 Millionen Euro versteigert wird, sind alle glücklich.

Die Namen Ismail Merchant und James Ivory stehen für melancholische Sittenbilder aus ferner Zeit („Zimmer mit Aussicht“). Nun haben die Engländer einen zeitgenössischen Film geschaffen, in dem einem Amerikaner und Franzosen gleichermaßen auf die Nerven gehen. Die Ausstattung von Louis-quatorze bis Louis Vuitton ist wie immer exquisit. Doch der Versuch, darin irgendetwas Positives zu entdecken, ist diesmal glänzend gescheitert. Man schläft miteinander und träumt dabei vom Geld. Das ist das Ende des Bürgertums, von der Firma Merchant-Ivory, der Mätresse der internationalen Bourgeoisie, offiziell verbürgt. Ob sie will oder nicht.

PHILIPP BÜHLER

„Eine Affäre in Paris“. Regie: James Ivory. Mit Kate Hudson, Naomi Watts u. a., USA 2003, 118 Min.