NS-Kriegsverbrecher in München verhaftet

Heute 86-Jähriger soll für zwei Massaker in der Slowakei mit insgesamt 146 Toten verantwortlich gewesen sein

Bereits 1962 wurde Niznansky von einem slowakischen Gericht zum Tode verurteilt

MÜNCHEN taz ■ Die Polizei hat in München einen 86-jährigen Mann verhaftet, der als Kommandeur einer Spezialeinheit an mehreren Massakern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligt gewesen sein soll. Wie die Münchner Staatsanwaltschaft gestern erklärte, befehligte der gebürtige Slowake Ladislav Niznansky eine slowakische Abteilung, die damals gemeinsam mit deutschen Truppen zur Bekämpfung von Partisanen eingesetzt wurde.

Im Januar 1945 ermordete diese Einheit in den slowakischen Orten Ostry Grun und Klak insgesamt 146 Menschen, darunter 70 Frauen und 51 Kinder. Außerdem soll Niznansky, damals 27 Jahre alt, im Februar 1945 die Erschießung von 18 jüdischen Zivilisten in der Gemeinde Ksina befohlen haben.

Der leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte der taz, Niznansky habe angeordnet, die Juden zu erschießen, die sich in Erdbunkern versteckt hätten. Dazu ließ er ein Hinrichtungskommando zusammenstellen. Unter den Opfern seien acht Frauen und sechs Kinder gewesen. Niznansky war zu jener Zeit laut tschechischen Zeitungsberichten auch Führungsmitglied des faschistischen „Edelweiß“-Verbandes in der Slowakei.

Nach dem Krieg tauchte Niznansky unter und lebte seit 1947 offensichtlich abwechselnd in Österreich und Deutschland. Zeitweilig arbeitete er als Reporter für den US-Radiosender „Radio Free Europe“ in München, wahrscheinlich auch für andere Medien. Bislang sei Niznaskys Biografie nicht lückenlos zu recherchieren gewesen, teilte die Münchner Staatsanwaltschaft mit.

Der Verhaftete schweigt bislang. Sicher ist, dass Niznansky 1996 die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt. Später lebte er in einer Wohnung am Münchner Ostpark, wo er am Freitag auch verhaftet wurde. Bereits 1962 war Niznansky in Abwesenheit von einem Gericht im slowakischen Banská Bystrica zum Tode verurteilt worden.

Wegen dieser Verurteilung wandte sich das slowakische Justizministerium Anfang 2001 an die deutschen Behörden, nachdem bekannt geworden war, dass Niznansky in München lebt. Er bestritt gegenüber den deutschen Ermittlern jetzt alle Vorwürfe.

Daraufhin entsandte die Münchner Staatsanwaltschaft einen Vertreter nach Tschechien und in die Slowakei, der dort Archive und Gerichtsunterklagen einsehen und mehrere Zeugen befragen konnte. Diese Zeugenaussagen lieferten letztlich die Grundlage für die Festnahme des 86-Jährigen. Laut Oberstaatsanwalt Schmidt-Sommerfeld fand sich auch „ein Augenzeuge, der als Kind bei einem der Massaker mit dem Leben davongekommen ist“ und der Niznansky identifizieren konnte.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher sitzt nun in München in Untersuchungshaft. Eine allzu lange Haft vor Prozessbeginn will die Staatsanwaltschaft allerdings nicht riskieren.

Bis zum Frühjahr soll bereits Anklage erhoben werden, sodass noch in diesem Jahr der Mordprozess vor dem Münchner Schwurgericht beginnen könnte. Schmidt-Sommerfeld schätzt den 86-Jährigen als verhandlungsfähig ein. Er sei in einem „altersentsprechend guten Gesundheitszustand“.

Wenn alle Vorwürfe vor Gericht belegt werden können, wird Ladislav Niznansky das „Gefängnis wohl nicht mehr verlassen“, sagte der Oberstaatsanwalt. Dem einstigen Faschistenführer wird Mord in 146 Fällen zur Last gelegt.

Niznanskys Verhaftung ist der zweite spektakuläre Erfolg, den die Justizbehörden in Deutschland, Tschechien und der Slowakei bei ihren gemeinsamen Ermittlungen gegen nationalsozialistische Kriegsverbrecher verbuchen können. Im Jahr 2001 war der frühere Aufseher eines Gestapo-Gefängnisses in Theresienstadt, Anton Malloth, wegen Ermordung eines Häftlings zu lebenslanger Haft verurteilt worden. JÖRG SCHALLENBERG