Riten im Übergang

Die Ausstellung „Podai – Malerei aus Westafrika“ in Düsseldorf versucht, die traditionelle Malerei guineischer Frauen aus ihrem Kontext zu lösen

VON URSULA WÖLL

Traditionelle Kunst aus anderen Kulturen entgeht selten dem Dilemma, in Ausstellungen von ihrem kulturellen Bedeutungszusammenhang losgelöst zu werden. Was im rituellen Leben beispielsweise in Afrika seinen festen Platz hatte, wird hier auf seinen ästhetischen Reiz reduziert. Im Fall der Ausstellung „Podai – Malerei aus Westafrika“ im Düsseldorfer museum kunst palast ging man allerdings nun einen Schritt weiter. Man veränderte die Tradition der Loma-Frauen aus Guinea selbst, um sie dem Kunstkontext anzupassen.

In Guinea werden die kraftvollen und zugleich filigranen Podai-Motive nämlich auf Mädchenkörper, hier und da auch auf die Wände traditioneller Rundhütten gemalt. Der Sammler und Leihgeber Karl-Heinz Krieg hat sie nun von den Künstlerinnen auf einen gänzlich neuen Bildträger malen lassen. Dazu hat der einstige Missionar, der sich seit Jahren als Ethnologe betätigt, Papierbogen, große Leinwände und Acrylfarben mit seinem VW-Bus in die abgelegenen Dörfer der Loma-Ethnie nahe der Grenze zu Liberia geschleppt.

Die ursprünglichen Farben, der Natur entnommen und mit dem Öl der Podai-Nuss angerührt, hafteten nicht auf dem Papier, sodass wir die eindrucksvollen Ornamente nun in Acryl auf Weiß sehen. Das Auftragen mit Naturrispen hingegen ließen sich die Frauen nicht nehme: Die offerierten Pinsel lehnten sie ab. Auf diese Weise hat Krieg auf seinen Reisen bis 1996 über 3.000 Podai-Gemälde für sich anfertigen lassen.

Neun großformatige Leinwände und zehn DIN-A 3- bzw. DIN-A 2-Blätter sind, viereckig gerahmt und ordentlich gereiht, in der Düsseldorfer Ausstellung vertreten. Hinzu kommen wenige Fotos und ein Sechs-Minuten-Film, auf dem Mama Gaou Béavogi den Körper eines noch kindlichen Mädchens bemalt. Man fragt sich, warum es Karl-Heinz Krieg nicht bei Fotos und Filmaufnahmen belassen wollte. Denn auf dem zweidimensionalen Untergrund, der Bewegung der bemalten Körper beraubt, wirken die stilisierten Ornamente völlig steril und wie verloren.

Hätte man die in Guinea langsam aussterbende Tradition also auch unverfälschter dokumentieren können, so erweist sich ein weiterer Aspekt der Ausstellung als heikler. Die Körperbemalung der Mädchen ist nämlich Höhepunkt der Feste zum Abschluss ihrer Initiationszeit, die sie gemeinsam im Busch verbringen und während der sie beschnitten werden. Nun erwartet man von einem Europäer, der dort auftaucht und auf das Wohlwollen der Dorfältesten angewiesen ist, vielleicht nicht gleich, dass er gegen diese barbarische Tradition agitiert. Dass aber auch im Katalog die Beschneidung nur ganz nebenbei und völlig kritiklos gestreift wird, empfindet man denn doch als skandalös.

Man könnte dem Sammler Krieg vielleicht zugute halten, dass durch sein Vorgehen die eindrucksvolle Malkunst der Frauen von der unseligen Tradition der weiblichen Verstümmelung abgekoppelt wird. Doch diese Umwidmung des Rituals in Kunst bildet nur eine Episode. Die Frauen selbst können sich schon aufgrund ihrer Armut weder Leinwände noch Papierbögen leisten, die sie überdies importieren müssten. Krieg selbst war seit 1996 nicht mehr in der durch die Unruhen in den Nachbarländern unsicheren Gegend.

Zwar finden sich im Katalog die Lebensläufe der elf vertretenen Künstlerinnen, über die Bildungschancen der jungen Mädchen aber schweigt er sich aus. Auch hätte man gerne mehr über Guinea erfahren, zumal das autoritäre Regime den Anschein von Volksnähe erhält. Der derzeitige Machthaber Conté, der sich nach dem Tod Sékou Tourés 1984 an die Macht putschte und sich gerade für sieben Jahre wiederwählen ließ, hat die traditionellen Riten wieder erlaubt, die unter seinem Vorgänger nur heimlich überleben konnten.

Bis 29. Februar, Katalog 28 Euro