zwischen den rillen
: Die lyrischen Schwerter funkeln auch im Dunkeln

Was machen eigentlich die Rapper des Wu-Tang-Clan? Neue Alben von RZA und Raekwon

Auch die Aufmerksamkeitsökonomie kennt ihre periodischen Krisen. Vorgestern noch höchst interessantes Phänomen, ganz neuer Ansatz, Millionen von verkauften Platten und angestrebte Weltherrschaft, gestern immerhin noch in Erinnerung, wenn auch nur noch als Schatten ihrer selbst, verschwinden Künstler im Dunkel, wenn der mediale Suchscheinwerfer sich weiterbewegt. Es bleiben verstaubende Schallplatten und und ungeschriebene „Was macht eigentlich?“-Kolumnen für die letzten Seiten von Musikmagazinen. Anderes fesselt den Blick, neue Ansätze entern die Bühne.

Da gab es etwa den Wu-Tang-Clan. Lange ist es nicht her, gerade einmal zehn Jahre, da tauchte er auf. Neun Rapper aus Staten Island, die sich Method Man, Ghostface Killah oder Ol’ Dirty Bastard nannten und sich in der Abgeschiedenheit des vergessenen fünften New Yorker Borroughs in jahrelanger Arbeit aus extensivem Konsum billiger Kung-Fu-Filme und intensiver Lektüre der Traktate islamischer Sekten eine militante Weltsicht zusammengezimmert hatten. Ihre Lyrics nannten sie „flüssige Schwerter“, und mit diesen fuchtelten sie äußerst wirksam einige Jahre herum, um schließlich durch die nächste Rap-Schule abgelöst zu werden. Dem Verschmelzen von HipHop mit Soul- und Pop-Elementen hatten sie wenig entgegenzusetzen. Doch unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit operieren die Mitglieder des Clans noch immer. Mal machen sie das Gleiche wie immer schon, mal ganz was anderes. Oder beides.

Wer das neue RZA-Album „The Birth of a Prince“ zur Hand nimmt, wird mit der Nase drauf gestoßen, dass jener eben nicht nur weiterhin vom komplizierten Leben auf Staten Island erzählt. Ein großes Bild im Inneren der CD weist darauf hin, dass er auch für den Soundtrack von Tarantinos „Kill Bill“ verantwortlich ist (ein ähnlicher Weg, wie ihn auch Schooly D eingeschlagen hat, ein noch gründlicher Vergessener, ehemals Gangsterrap-Erfinder, heute Hauskomponist für Abel Ferrara).

Ein großer Rapper war RZA nie, wohl aber ein genialer Produzent, der aus ein paar Stax-Samples grandios dreckige Soundscapes zusammenschnitt, vor denen seine Clanbrüder dann ihre Reime spucken konnten. So verhält es sich auch mit „Birth of a Prince“, einem großartig produzierten Album, das ein wenig darunter leidet, dass RZAs Reime eben nicht so geschmeidig fließen, wie es die Beats vorgeben. Selten sieht man darüber so gerne hinweg wie auf „Grits“, einem Stück über die Grütze, die er als Kind essen musste, weil seine Mutter der Familie Besseres nicht kaufen konnte.

Raekwon ist der große Geschichtenerzähler des Clans. Auch wenn er heute längst nicht mehr die Millionen seines Debütalbums verkauft – lyrisch steht „The Lex Diamond Story“ ihm in nichts nach. Wenn er in „Missing Watch“ mit seinem Kumpel Ghostface erzählt, was passieren kann, wenn man mit Juwelen im Wert einer Limousine der Oberklasse um den Hals einen Club betritt, entfaltet dies eine so hypnotische Kraft, dass der Track gegen Ende schlicht ausgeblendet wird, weil die beiden sonst wohl den ganzen Rest der Platte mit Erzählungen jenes Abends voll gerappt hätten.

Das dicke Auto, aus dem Raekwon im Booklet grüßt, dürfte er sich von den Tantiemen gekauft haben, die noch aus erfolgreicheren Tagen sprudeln. Es rollt den einmal eingeschlagenen Weg weiter. TOBIAS RAPP

RZA: „Birth Of A Prince“ (Wu Records/ Sanctuary); Raekwon: „The Lex Diamond Story“ (Universal)