Massaker im Kongo weckt die UNO auf

Nach dem größten Massaker an Zivilisten im Kongo seit Einsetzung der Übergangsregierung will die UN-Mission durchgreifen. Im Distrikt Ituri kommt es seit Wochen immer öfter zu Milizenangriffen. Die Glaubwürdigkeit der UNO steht auf dem Spiel

VON DOMINIC JOHNSON

Es war ein Massaker, wie es nach dem offiziellen Ende des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo eigentlich nicht mehr passieren dürfte. Als ein Bootskonvoi voller Handelsgüter, rückkehrender Flüchtlinge und anderer Zivilisten auf dem Albertsee im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo den Hafen Gobu passierte, wurde er von bewaffneten Milizionären zum Anhalten aufgefordert. Die Handelswaren wurden geplündert, die 180 Passagiere an Bord getötet oder verschleppt. „Die Rebellen trennten die Männer von den Frauen und Kindern und erschossen die Männer in Gruppen von vier, fünf oder zehn“, sagte Gobus Verwaltungschef Emmanuel Leku. Die rund 80 Frauen und Kinder hätten das Plündergut wegtragen müssen und seien jetzt verschwunden.

Das ereignete sich am 16. Januar, aber erst Ende letzter Woche bestätigte die UN-Mission im Kongo (Monuc) das blutigste Massaker im Land seit dem offiziellen Beginn des Kongo-Friedensprozesses mit der Einsetzung einer Allparteienregierung im vergangenen Juli. Für die UNO ist es peinlich, hat sie doch im Distrikt Ituri, wo das Massaker stattfand, nahezu die Hälfte ihrer rund 10.000 Blauhelmsoldaten konzentriert.

Beobachter vor Ort fürchten bereits den Beginn eines neuen Vernichtungskrieges in Ituri zwischen Milizen der Völker der Lendu und Hema, die sich dort seit 1999 bekämpfen. Die Opfer des Massakers von Gobu waren zumeist Angehörige des Gegere-Volkes, einer Untergruppe der Hema-Volksgruppe; die Täter waren eine Splittergruppe der wichtigsten Lendu-Milizenbewegung FNI (Nationale Kräfte für Integration).

Erst am 13. Januar hatten UNO und Deutsche Welthungerhilfe, das führende in Ituri tätige Hilfswerk, feierlich die 48 Kilometer lange Straße wieder eröffnet, die aus Ituris Hauptstadt Bunia hinunter in den Ort Kasenyi am Albertsee führt und damit Bunia erstmals wieder für den Seehandel mit dem benachbarten Uganda zugänglich macht. Der mühsame Straßenbau führte durch Gebiete, in denen Lendu-Milizen in den vergangenen Jahren erfolgreich „ethnische Säuberung“ vollzogen haben.

Die Eröffnungszeremonie folgte auf Friedensfeiern zwischen Hema- und Lendu-Führern um die Jahreswende. Aber nur wenige Tage nach der Straßenöffnung beschossen Lendu-Milizen aus einem Militärlager am Rand von Kasenyi einen UN-Hubschrauber; das Lager wurde durch gezielte Luftangriffe der UNO zerstört. Seitdem nimmt die Gewalt am Albertsee deutlich zu. Radikale Lendu fürchten offenbar, dass die Öffnung ihrer Hochburgen die mit viel Blutvergießen geschaffene „ethnische Reinheit“ kompromittieren könnte. Zugleich häufen sich Scharmützel zwischen UN-Truppen und Hema-Milizen in anderen Teilen Ituris.

Das Treiben von Hema- und Lendu-Warlords in Ituri, beide mit mächtigen auswärtigen Verbündeten, brachte Kongos Friedensprozess schon im Mai 2003 an den Rande des Zusammenbruchs. Das führte damals zu einer robusten, französisch dominierten EU-Militärintervention in Bunia. Wenn die meist aus Südasien stammenden UN-Einheiten, die im September die Franzosen ablösten, jetzt bei neuen Massakern untätig bleiben, ist die Glaubwürdigkeit der UNO im Kongo dahin.

Das weiß Monuc-Chef William Swing, der Bunia zuletzt vor zwei Wochen besuchte. Er hat die Lendu- und Hema-Angriffe auf UN-Einheiten in Ituri als „Angriffe auf den Friedensprozess“ verurteilt – also nicht als bloß lokale Zwischenfälle, die die nationale Politik nicht stören. Und nach dem Massaker von Gobu drohte Monuc-Sprecher Hamadoun Touré erstmals, die UNO werde in Zukunft Gewalt gegen Kongos Warlords anwenden. „Wir akzeptieren die Idee nicht, dass es unkontrollierte bewaffnete Gruppen gibt“, sagte Touré in Kinshasa. „Die Führer dieser Milizen sind verantwortlich für die Taten ihrer bewaffneten Elemente.“