Mathe-Cracks sind eine Seltenheit

Details der IGLU-Studie zeigen: Bremen hat nicht nur ein Problem der Förderung von Migranten-Kindern. Auch der Anteil der Kinder mit guten Lern-Leistungen ist in Bayern doppelt so hoch wie in Bremen. Bildungssenator will jetzt externe Experten holen

Bremen taz ■ In Berlin wurden gestern die Ergebnisse der IGLU-Studie über die Leistungen von Grundschülern offiziell vorgestellt. „Die Ergebnisse der IGLU-Studie sind für Bremen äußerst deprimierend. Insbesondere der Abstand zu den anderen Ländern ist besorgniserregend“, erklärte Bildungssenator Willi Lemke dazu.

Die Bremer GEW sieht das ganz anders: „Grundschul-Lehrkräfte sind von den IGLU-Ergebnisse nicht überrascht“, formuliert die Gewerkschaft in ihrer Stellungnahme. 35,6 Prozent der in Bremen im Test im Jahre 2001 erfassten Grundschulkinder (4. Klasse) hätten mindestens ein nicht in Deutschland geborenes Elternteil. Nicht die Leistung bremischer Schulen sei schlecht, folgert die GEW, sondern die Förderung von „Familien mit Migrationshintergrund“. Dem widerspricht der Leiter der Studie, Wilfried Bos: Die hessischen Kinder mit Migrationshintergrund hätten immer noch bessere Leistungen gezeigt als die bremischen Kinder ohne Migrationshintergrund.

Das Stichwort „Bremen“ kommt in der Studie, an der sechs Bundesländer teilgenommen haben, ausnahmslos schlecht vor. Klassenbibliotheken in Bremen sind „eher mager“, 22 Prozent der Viertklässler „sind älter als sie es nach dem Einschulungsstichtag sein sollten“. Beim Test der Lesefähigkeit erreichten 17 Prozent der Kinder nur die „Kompetenzstufe I“, der Prozentsatz sei „dramatisch hoch“, heißt es in dem Text. Zum Vergleich: In Bayern sind das nur 7,4 Prozent. Wenn man die IGLU-Ergebnisse mit den Pisa-Ergebnissen vergleicht, ergibt sich: Nach IGLU liegt die Lesefähigkeit der bremischen Vierklässler 32 Punkte unter dem deutschen Mittelwert, Pisa ermittelte die Lesefähigkeit der 15-Jährigen 36 Punkte unter dem Durchschnitt.

In den Naturwissenschaften sieht das Ergebnis ähnlich aus. Die Distanz zwischen Bremen und Bayern am Ende der Grundschule „entspricht etwa dem Leistungsunterschied zwischen der dritten und vierten Jahrgangsstufe“, heißt es.

Dass dies keineswegs ein Problem der Förderung leistungsschwacher Kinder ist, ergibt sich aus der Auswertung der besten Gruppe („Kompetenzstufen IV und V“). In den Naturwissenschaften befinden sich am Ende der 4. Klasse in Bayern 47,6 Prozent der Kinder auf diesem Niveau, in Bremen nur 26,7 Prozent. „In Baden-Württemberg gehört gut die Hälfte der Vierklässler zur Gruppe der mathematisch Leistungsfähigen, in Bremen nur jeder Vierte.“ Bei der Lesefähigkeit erreichen 20 Prozent der SchülerInnen in Bayern die höchste Kompetenz-Stufe, nur 9 Prozent in Bremen.

Wenn man die Kinder mit „Migrationshintergrund“ aus der Statistik herausnimmt, also nur die „deutschen“ Kinder nimmt, verbessert sich der Punktestand der Bremer Kinder bei der Lesefähigkeit nur um 5 Punkte von 507 auf 512 Punkte, erklärt der Leiter der Studie. Zum Vergleich: In Bayern liegt der Schnitt zusammen mit den Ausländer-Kindern bei 546 Punkten, in Baden-Württemberg bei 549. Die getesteten Kenntnisse der Kinder haben nur wenig zu tun mit den Empfehlungen für weiterführende Schulen, fanden die Wissenschaftler heraus.

Den Bundesdurchschnitt erreicht Bremen nur bei der Selbsteinschätzung der Kinder: Genauso viele Kinder wie in Bayern haben bei der Befragung angegeben, ihnen würde Lesen leicht fallen und sie würden gern lesen. Offensichtlich haben sich „verschiedene Traditionen und Kulturen im Primarbereich entwickelt“, folgert die Studie. Bildungssenator Willi Lemke kündigte an, er wolle externe Experten zur Evaluation in die bremischen Grundschulen schicken.

Klaus Wolschner

Die Studie steht im Internet unter www.mehr-dazu.de. Weitere Berichte SEITE 7