Solisten auf Reisen

„Singles sind eigenwillig“, erklärt Barbara Harms-Wichmann. Das erklärt, warum Reiseveranstalter für sie kaum Angebote im Programm haben

VON GÜNTER ERMLICH

taz: Vor zwanzig Jahren gründeten Sie den Freundeskreis Alleinreisender e. V. Was war der Anlass?

Barbara Harms-Wichmann: Ich bin immer allein verreist, an die Saar, da ist es ja so wunderschön, und nach Schleswig-Holstein, überall nach Deutschland, erst später bin ich ins Ausland gefahren. Ich war froh, dass ich mich mal vierzehn Tage von meiner Familie mit den drei Kindern lösen konnte. Mein Mann war ein Reisemuffel. Immer wenn ich allein unterwegs war, merkte ich aber, dass alle anderen Leute, die allein reisten, Schwierigkeiten damit hatten.

Wie drückte sich das aus?

Ich hatte immer gleich mehrere hinter mir, die fragten: „Wo fahren Sie denn hin, was machen Sie denn heute?“ Das wollte ich gar nicht, ich wollte ja meine Ruhe haben.

Singles sind „kontaktgestörte Außenseiter der Paargesellschaft“, schrieb 1978 der Journalist Hermann Schreiber. Trifft diese Diagnose auch auf die Alleinreisenden zu?

Nein, sie sind nicht mehr ausgestoßen. Wir sind zur Ich-Gesellschaft geworden. Da ist es schick, als Single zu leben.

„Katzentisch und Besenkammer“, betitelte die Stiftung Warentest einen Report über Alleinreisende im Jahr 1979. Stimmt das Bild von gestern auch heute noch?

Eigentlich weniger. Seit damals hat sich für Alleinreisende doch einiges zum Positiven verändert. Dafür habe ich mich permanent eingesetzt. Ich habe immer wieder Gespräche mit Politikern, Tourismusverbänden und Hoteliers geführt und viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Bei meiner Arbeit hat mich vor allem die Allgemeine Hotel- und Gaststätten-Zeitung unterstützt. Nur der Einzelzimmerzuschlag ist schwer wegzukriegen. Aber wenn man im Hotel als Einzelreisender ein Doppelzimmer bekommt, dann kann man handeln. Aber das wissen die meisten gar nicht.

Was haben Sie gegen die Diskriminierung Alleinreisender unternommen?

Wir haben zum Beispiel Seminare für Leute gemacht, die lernen wollten, allein zur reisen. War hochinteressant, war auch mal ein Mann dabei.

Welchen Stoff haben Sie in den Seminaren vermittelt?

Den Leuten das fehlende Selbstverständnis und Selbstbewusstsein beizubringen. Wir haben richtige Rollenspiele gemacht: Viele wagen noch nicht einmal, zu sagen: Das Zimmer gefällt mir nicht, das stinkt so nach Rauch.

Welches ist das größte Problem von Alleinreisenden?

Dass man zum Beispiel im Hotel permanent allein ist. Sie setzen sich morgens an den Frühstückstisch und verstecken sich hinter der Zeitung, weil es ihnen unangenehm ist, allein zu frühstücken. Viele Frauen haben die Handtasche dabei, in der sie dann furchtbar pulen können. Alles Quatsch!

Wie wollen Sie das abstellen?

Ich habe mich bei Hotels dafür eingesetzt, dass es überall runde Tische gibt.

Was ist das größte Problem von Singles auf Pauschalreisen? Der allseits beklagte Frauenüberschuss?

Genau.

Warum?

Frauen sind viel beweglicher als Männer. Sie sind viel neugieriger und reiselustiger.

Um die Geschlechterbalance herzustellen, lockte ein Veranstalter mit einem Männerrabatt. Bringt ein männlicher Reiseteilnehmer einen Geschlechtsgenossen mit, bekommen beide ein Taschengeld von 25 Euro.

Das ist so was von albern.

Allein reisende Frauen fühlen sich in ihrer Handlungsfreiheit oft eingeschränkt, zum Beispiel durch die Anmache am Strand. Was kann frau dagegen tun?

Am Strand einen Ring tragen ganz einfach.

Mit dem Vorzeigen des Eherings lassen sich forsche Beach Boys aber doch nicht abhalten.

Wenn der Ring nicht hilft, kann man noch etwas von seinem Mann erzählen.

Allein reisende Männer nimmt man kaum wahr. Woran liegt das?

Bei Männern denkt man immer an Geschäftsreisende. Bei Frauen weiß man nie so genau, wer sie sind und was sie wollen.

Zwei rührende Verhaltenstipps, gerade mal 25 Jahre alt: Emma empfahl Solofrauen, im Urlaub „als Lehrerin eine Schule, als Krankenschwester eine Klinik und als Sekretärin einen Betrieb“ zu besichtigen. Brigitte gab den guten Rat, „sich im Hotel kleine Vorteile zu erkaufen“, zum Beispiel „ein gutes Trinkgeld am ersten Tag, und jeder Kellner wird sich bemühen“.

(kichert) Rührend, aber ein bisschen veraltet.

Bei Studiosus hat der „Solist auf Reisen“ die Wahl zwischen einem Einzelzimmer mit Aufschlag oder dem „Roomsharing“ im „halben“ Doppelzimmer“. Ist das der richtige Weg?

Roomsharing hört sich besser an als halbes Doppelzimmer. Aber ich habe furchtbare Sachen erlebt, dass sich die Leute in die Haare gekriegt haben. Bei den Älteren hat ja jeder seine eigenen Gewohnheiten: Der eine schläft bei offenem Fenster, der andere schnarcht, der eine liest bis in die Puppen, der andere sagt, ich kann nicht schlafen. Nein, man sollte ruhig schon sehen, dass man allein schlafen kann, es sei denn, man hat eine gute Freundin, mit der man schon öfter gereist ist.

Gibt es Reiseveranstalter, bei denen man Einzelzimmer ohne Aufpreis buchen kann?

Ich kenne keinen.

Anfang der Achtzigerjahre sprossen Spezialreiseveranstalter für Singles wie Pilze aus dem Boden und warben fürs „Alleinverreisen in der Gruppe“. Die meisten, wie auch Single Travel, konnten sich am Markt nicht behaupten. Warum?

Die sind alle eingegangen, einer nach dem anderen. Singles sind eigenwillige Persönlichkeiten. Die unter einen Hut zu kriegen scheint mir nicht so einfach zu sein.

13,5 Millionen Singles leben in Deutschland: 7,8 Millionen Frauen und 6,7 Millionen Männer. Fast jeder zehnte Urlauber geht allein auf Reisen, das sind 5,3 Millionen Deutsche pro Jahr. Kümmert sich die Reisebranche so wenig um Alleinreisende, weil diese Zielgruppe so schwierig ist und ihre Bedürfnisse so heterogen sind?

Die Branche weiß meist nicht, welche Angebote sie machen und wie sie diese verkaufen soll.

Reisekonzerne wie TUI machen bewusst keine Spezialangebote für Singles. Eine TUI- Sprecherin argumentierte: „Ähnlich wie Senioren fühlen sich Singles von Spezialangeboten leicht als Randgruppe abgestempelt.“

Ja, da ist bestimmt was dran. Aber es gibt ein Gegenbeispiel: den Berliner Veranstalter „Frauen unterwegs“. Da fahren nur Frauen mit, auch viele verheiratete Frauen. „Frauen unterwegs“ startete in etwa zur gleichen Zeit wie unser Freundeskreis und hat gerade sein zwanzigjähriges Jubiläum gefeiert.

Barbara Harms-Wichmann, 82, gründete 1983 den „Freundeskreis Alleinreisender e. V.“ und leitete den Lobbyverband bis vor zwei Jahren ehrenamtlich. Beruflich war Harms-Wichmann bei der Hamburg Messe zuständig für die InformationsschauenKontakt: Freundeskreis Alleinreisender e. V. c/o Ingrid Schaller, 22179 Hamburg, Stockrosenweg 68, Tel. (0 40) 6 90 12 10. GÜNTER ERMLICH ist freier Autor und lebt in Bochum