Geld stinkt nicht

Das „Steuermuseum“ in Brühl bietet eine mitunter bizarre 5000-jährige Geschichte der Abgaben und des ebenso alten Versuchs, sie zu umgehen

VON KATHARINA KLÖCKER

Sie werden erhoben, erlassen, gezahlt, hinterzogen – und das seit mehr als 5.000 Jahren. Für die meisten Menschen sind sie ein Übel, mit dem man sich so wenig wie möglich befassen möchte. Kein Wunder also, dass ein Museum über Steuern alles andere als ein Publikumsmagnet ist.

Gerade einmal 1.000 Besucher pro Jahr zählt die bundesweit einzigartige Schau „Finanzgeschichtliche Sammlung der Bundesfinanzakademie in Brühl“. Und doch ist ein Rundgang durch die ansprechend gestaltete Ausstellung im Steuermuseum weit unterhaltsamer, als jede Steuererklärung dies vermuten ließe. Denn eines wird schnell klar: So trocken und unangenehm das Thema, so unterhaltsam informativ gibt sich die mitunter ziemlich bizarre 5.000jährige Geschichte der Abgaben und des ebenso alten Versuchs, sie zu umgehen.

50 Rubel Bartsteuer

Abstruse Steuern finden sich zu fast allen Zeiten: Zar Peter der Große (1672-1725) etwa, der Anfang des 18. Jahrhunderts Russland modernisieren wollte, beließ es nicht dabei, alte Zöpfe abzuschneiden, sondern führte eine Steuer ein, die Bundestagspräsident Wolfgang Thierse teuer zu stehen gekommen wäre. Nach seiner Rückkehr von einer Reise ins fortschrittliche Europa 1698 verbot der Zar als Zeichen der Fortschrittlichkeit das Tragen von Bärten. Viele Männer widersetzten sich der verordneten Rasur, denn der Bart galt als Ausweis der Rechtgläubigkeit russisch-orthodoxer Christen. So erließ der Zar kurzerhand eine beträchtliche Bartsteuer von 50 Rubel pro Jahr.

Die im Gegenzug dafür ausgehändigten Steuermarken sind in Brühl zu sehen. Die eine Seite der Kupfermünze zeigt die Bartpartie eines Gesichts, auf der anderen Seite ist vermerkt, dass die Steuer entrichtet wurde. Konnte ein bärtiger Steuerzahler die Marke nicht vorweisen, drohte ihm die Rasur auf offener Straße. Neben der Modernisierung mag den Zaren noch ein anderer Grund zur Bartsteuer veranlasst haben. Der Nordische Krieg in den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts musste finanziert werden.

Eine andere obskure Steuer erhob Kaiser Vespasian, erzählt Museumsleiterin Dorothea Kaulbach. Er besteuerte den Gang auf öffentliche Toiletten. Als ihm sein Sohn Titus dies vorhielt, entgegnete Vespasian: „Non olet – es stinkt nicht!“

Nicht weniger fantasievoll beim Erheben von Steuergeldern war Herzog Karl Eugen, wie ein Dekret über die so genannte Spatzensteuer aus dem Jahr 1789 im Brühler Museum belegt. Jeder Bürger war wegen einer angeblichen Spatzenplage verpflichtet, ein Dutzend Spatzen zu fangen und abzugeben. Wer dieses Soll nicht erfüllte, wurde zu einer Strafzahlung von zwölf Kreuzen verdonnert.

Eine ganze Liste von Winkelzügen des Abgabenwesens hat die Museumsleiterin gesammelt. Von der Galgensteuer, die für den Bau und Erhalt des Hinrichtungsinstruments erhoben wurde, über die Hagestolz-Steuer für alternde Junggesellen bis hin zur Spielkarten-, Taubenschlag- oder Ziegensteuer.

Auf ihre Weise erzählen sie alle dieselbe Geschichte: Fehlte dem Kaiser, König oder Herzog Geld – sehr oft für die Finanzierung eines Krieges –, erhob er Steuern auf seltsame Dinge. Das belegen viele der rund 1.200 Bilder, Texte, Uniformen, Schreib- und Rechengeräte, die in dem interaktiven Museum die trockene Materie lebendig werden lassen. Wurden die Steuern nicht gezahlt, gab es zu allen Zeiten wirkungsvolle Methoden bis hin zu drakonischen Strafen, um säumige Zahler unter Druck zu setzen.

Anregungen für Eichel

Gegen einen Brauch in der Mark Brandenburg aus dem 16. Jahrhundert erscheinen heutige Mahnungen des Finanzamtes fast schon wie Liebesbriefe. Damals fuhr, wie auf einem Holzschnitt zu erkennen ist, der Magistrat in Begleitung seiner Stadtknechte auf dem so genannten Hellwagen durch die Dörfer und hielt vor den Wohnungen säumiger Steuerzahler. Kurzerhand wurden die Haustüren ausgehängt und zum Rathaus abtransportiert. Die so „behelligten“ Steuerschuldner konnten sich ihre Tür erst nach geleisteter Zahlung wieder abholen.

Ob Bundesfinanzminister Hans Eichel sich die Ausstellung schon einmal angesehen hat, will Oberamtsrätin Dorothea Kaulbach nicht verraten. Eine Menge Anregungen bekäme er im Brühler Steuermuseum auf jeden Fall. Nur eines scheint im Laufe der Geschichte selbst dem gerissensten Fiskus nicht gelungen zu sein, wie in Brühl ein Bild belegt. „Die Gedanken“, so lautete der Titel eines Werks des Biedermeier-Malers Carl Spitzweg, „sind zollfrei“.

Das Museum in der Bundesfinanzakademie in Brühl (Willy-Brandt-Straße 10) ist werktags von 8.30 Uhr bis 16.00 Uhr, freitags bis 14.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Informationen unter Tel.: 02232-92415103www.bundesfinanzakademie.de