Herrschaftsfreier Diskurs im Dienstagszirkel

Peter Anthony, Präsident des Oberligisten Tennis Borussia, führt seinen Club mit Hilfe eines linken Kollektivs und hat etwas gegen seinen Titel. Die Fans sind irritiert, waren sie doch bislang eher bourgeoise Patriarchen gewohnt

Peter Anthony kann man als stattliche Erscheinung bezeichnen – um die 1,90 Meter groß und mit einigen Kilogramm Übergewicht gepolstert. Am liebsten würde er wohl nicht nur ein paar Pfunde los werden, sondern sich gänzlich unsichtbar machen. Zumindest, was sein Ehrenamt bei Tennis Borussia anbelangt. „Den Job des Präsidenten gibt’s nicht mehr. Ich habe diesen Titel nur, weil er in der Satzung steht“, behauptet der Präsident der Tennis-Borussen, die am Samstag den EFC Stahl mit 1:0 besiegten (0:0).

Kurz vor Weihnachten wurde Anthony vom Aufsichtsrat als Vorsitzender der Vereins-Exekutive eingesetzt. Als TeBe noch nicht im Insolvenzverfahren schmorte, sondern hinter Hertha Berlins Nummer 2 war, wäre diese Meldung zu Porträts über den Neuen breit gewalzt worden. „Die Gegenwart sieht anders aus“, erklärt der Hotelier aus Tegel. Am liebsten taucht Anthony hinter den dicken Mauern des Mommsenstadions in den herrschaftsfreien Diskurs der Dienstagsrunde ab. „Wir sind ein Kollektiv!“, sagt Anthony von sich und „seiner“ Führungsriege. Bei Buletten, Bruchkeksen von Bahlsen und Koffein aus der von Tchibo gesponserten Kaffeemaschine legen dienstags acht, neun Borussen die Richtlinien des Charlottenburger Clubs fest.

„Aus meiner früheren Mitgliedschaft bei SDJ-Die Falken mache ich kein Geheimnis“, erzählt Anthony von linken Jugenderfahrungen. Auch der Rest des Zirkels verströmt linkes Flair: Aufsichtsratschef Sebastian Schütz wurde im Elternhaus von Berlins ehemaligem Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) sozialisiert. Pressesprecher Hagen Liebing zupfte in den Achzigerjahren den Bass in der Anarcho-Punkband „Die Ärzte“. Sportberater Mike Schmidt galt auf dem Rasen als ehrlicher Abwehr-Arbeiter, und Trainer Theo Gries ist ständig auf der Suche nach Linksfüßern.

„Der Erfolg gibt uns Recht“, betont Anthony. Trotz eines relativ geringen Etats von 200.000 Euro rangierte TeBe in der Oberliga-Winterpause auf einem respektablen Platz im vorderen Mittelfeld. Dennoch spürte Anthony die Irritation bei den TeBe-Anhängern. Waren diese bislang bourgeoise Patriarchen im Präsidentenamt gewohnt wie Kunst-Kaufmann Heinz Pietsch, Traber-Champion Volker Stolle, Schlagerproduzent Jack White oder Finanzmagnat Erwin Zacharias, so müssen vor allem die älteren Borussen umdenken. „Für die bin ich ein Halbstarker, weil ich in Lederjacke und Jeans ins Stadion gehe. Mit 41 Jahren bin ich ja auch einer der jüngsten Präsidenten in der Vereinsgeschichte.“ Der kollektive Aufstieg zu früherer Größe, darüber herrscht dienstags Einigkeit, käme für TeBe wohl zu früh. „Bei uns ist nur unser Zeugwart zweitligatauglich“, sagt Anthony.

JÜRGEN SCHULZ