Frieden verschoben

BBC-Affäre: Der zurückgetretene Generaldirektor Greg Dyke will nun juristisch gegen die Schuldzuweisungen des Lordrichters vorgehen

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Der Krieg zwischen der britischen Regierung und der BBC geht weiter. Tony Blairs Hoffnung, dass der Hutton-Bericht über den Tod des britischen Waffenexperten David Kelly einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen würde, hat sich nicht erfüllt. Der am Donnerstag zurückgetretene BBC-Generaldirektor Greg Dyke will gegen Huttons einseitige Schuldzuweisungen an die Adresse der BBC vorgehen.

Nach Berichten der Times hat Dyke Anwälte angeheuert, um Möglichkeiten einer formalen juristischen Beschwerde auszuloten. Die Blair-Regierung habe die BBC während des Irakkriegs „systematisch unter Druck gesetzt“ und „eingeschüchtert“, so Dyke. Der einen Tag eher abgetretene BBC-Chairman Gavyn Davies hatte Huttons Ausführungen ebenfalls scharf kritisiert. Als letzter Hauptbeteiligter der öffentlich-rechtlichen Anstalt hatte am Freitagabend der Reporter Andrew Gilligan seine Kündigung eingereicht. Nur BBC-Nachrichtenchef Richard Sambrook ist noch im Amt.

Es war Gilligans kurzer Radiobericht vom 29. Mai 2003 um sieben Minuten nach sechs Uhr morgens, der eine Kette von Ereignissen auslöste, an deren Ende ein angesehener Wissenschaftler tot ist und ein weltweit repektierter Sender in einer tiefen Krise steckt. Gilligan ist ebenfalls nicht gewillt, kampflos zu gehen. Der Hutton-Bericht habe nicht nur negative Folgen für die BBC, sondern für den Journalismus insgesamt, glaubt Gilligan. „Ich habe seit fünf Monaten eingeräumt, dass ich Fehler gemacht habe“, sagte er am Wochenende. „Aber die BBC ist das Opfer einer schweren Ungerechtigkeit geworden. Hätte Lord Hutton die Beweise fair abgewogen, dann wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass mein Radiobericht im Großen und Ganzen korrekt war. Die Regierung hat das Irakdossier aufgebauscht.“

Das ist auch die Meinung der BBC. Am Samstag schalteten tausende BBC-Mitarbeiter ganzseitige, von ihnen selbst bezahlte Anzeigen in verschiedenen Tageszeitungen, um ihre Solidarität mit dem zurückgetretenen Generaldiroktor Dyke auszudrücken. Intern wächst der Druck auf den von der Regierung als Interims-Chairman eingesetzten konservativen Lord Robert Ryder. Seine „uneingeschränkte Entschuldigung“ an die Adresse Blairs vom vergangenen Donnerstag werteten viele Mitarbeiter als bedingungslose Kapitulation.

Huttons Urteil, dass die Medien „keine Anschuldigungen erheben dürfen, die die Integrität von anderen in Frage stellen“, sei juristisch unhaltbar, heißt es derweil in einem vom Observer teilweise veröffentlichten internen BBC-Dokument. „Wenn Kelly akkurat zitiert worden ist, was zum größten Teil zutrifft, war die BBC berechtigt, dieses auch zu senden, ohne vorher zu verifizieren, ob Kellys Aussage zutrifft.“ Hutton habe darüber hinaus ein Papier ignoriert, dass die BBC ihm als Beweis vorgelegt hatte. Darin ging es um ein Treffen zwischen Kevin Marsh, Gilligans verantwortlichem Redakteur, und dem Chef des Auslandsgeheimdienstes MI6, Sir Richard Dearlove. Und der gestand in diesem Gespräch im Frühjahr ein, dass man „nie Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak finden wird“.